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432 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 8. Heft. (August 1922.)
Nim machte Professor Hyslop denselben Versuch, der
ihn bei Thompson zum Ziele geführt hatte, auch bei Miß
de Camp, selbstredend unter Beobachtung der strengsten
Vorsichtsmaßregeln. In zehn Minuten teilte sich angeblich
Stockton mit durch das Medium Mrs. Chenoweth; er
gab seinen vollen Namen, versprach weitere Geschichten,
sagte, wo er gestorben sei und lieferte mit anderen Dingen
den Beweis seiner Identität. Der Fall de Camp würde von
jedem Ar/te ah Hysterie behandelt worden sein, und sie
war in der Tat hysterisch. Hyslop gab sich aber mit diesem
Urteil nicht zufrieden. Oberflächlich angesehen war keine
andere Diagnose möglich, als Dissoziation, aber das mediu-
mistische Experiment ergab sofort, daß das, was man
Hysterie zuschrieb, eine Anreizung duich fremde Ein
flüsse war.
3. Ein drittes Beispiel führt Professor Hyslop an: Miß
Ritch e und Emma Abbott. Erstere, ein junges
Mädchen, lebte auf dem Lande, und obwohl wenig gebildet,
schrieb sie automatisch, angeblich inspiriert von Emma
Abbott, einer Sängerin, welche starb, als Ritchie noch ein
Kind war. Auch Miß Ritchie sang gut und, wie die automatische
Schrift sagte, ebenfalls inspiriert von der toten
Sängerin; sie hatte wenig Uebung im Singen und nur
einigen Unterricht zwei oder drei Monate lang genossen.
Manchmal kam sie :n Trance, wenn sie sang, wie Trilby,
und wurde einige Male ganz enthusiastisch belobt.
Mit anderen Worten, ein Mädchen ohne ordentliche Ausbildung
in der Musik sang besser, als ihre Erziehung erklären
konnte. Es war bei ihr keine Hysterie vorhanden,
wie im Falle de Camp. Miß Ritchie war scheinbar völlig
normal und niemand würde den leisesten Verdacht auf
irgendeine Anormalität oder Ungewöhnlichkeit gehabt haben,
außer er erfuhr, daß sie automatisch schrieb. Nun machte
Hyslop auch bei Miß Ritchie den mediumistischen Versuch,
Sofort erschien Miß Emma Abbott, gab Beweise ihrer
Identität und erklärte, was sie zu tun versuchte durch Miß
Ritchie, ,,Wieder", sagt Professor Hyslop, „endigte dieser
Kreuzbeweis (,crossreference4) damit, objektive Einflüsse
zu zeigen, wo man nach oberflächlichem Anschein nur auf
Dissoziation oder zweite Persönlichkeit erkennen würde.
4. Ein anderes Beispiel ist Miß M., die sich mit Gesang
und Komposition beschäftigte und auch für Klavier komponierte
. Sie würde von jedem intelligenten Arzt oder Psychologen
als hysterisch behandelt worden sein. Sie war zeitweise
nicht so normal wie Miß Ritchie. Durch ein Medium
erfuhr sie, daß ihr alter Musiklehrer sie angeblich inspirieite
und ein italienischer Musiker Gerli, der ihres Lehrers In-
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