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V
Tischner: Die psychische Dingwelt. 439
denn bei ihr scheint es oft, als ob an dem Gegenstand noch
Gefühle, Worte, Vorstellungen hafteten, die in engem Zusammenhang
mit dem Schicksal des Gegenstandes stehen
und die das Medium aufzunehmen imstande ist. Und dieser
Gedanke der Verselbständigung der einzelnen Vorstellung
des einzelnen, seelischen Aktes ist in diesem Zusammenhang
auch mehrfach in letzter Zeit diskutiert worden, um allerdings
als zu phantastisch abgelehnt zu werden.
Der Gedanke liegt also sozusagen in der Luft — dieser
Anschauung nach vielleicht wirklich als psychisches „Ding*';
energisch angepackt und zu Ende gedacht ist er aber
erst von dem Kölner Privatdozenten Wilhelm Haas in
seinem Buche „Die psychische Dingwelt" (Verlag von
Friedrich Cohen, Bonn, 1921, Preis 28 M.).
In folgendem sei der Versuch gemacht, in die Gedankengänge
des Buches einzuführen, doch muß gleich hier
betont werden, daß bei der Fremdheit der Gedankengänge
es schwer fällt, einen Begriff von dem Inhalt des Buches
zu geben, ohne das ganze Buch auszuschreiben, es kann
sich also hier nur darum handeln, dem Verfasser bei seinen
ersten Schritten zu folgen und das Weitere der eigenen
Lektüre überlassen. Gerade für den Okkultisten ist sie
sehr anregend, da eine Anzahl Fragen, die zum Okkultismus
Beziehung haben, mehr oder weniger ausführlich berührt
werden, wie die Psychoanalyse, die Ekstase, der Yoga, die
Spaltung der Persönlichkeit; sie alle werden von dem neuen
Standpunkt in eigenartiger Weise beleuchtet.
Gleich am Anfang seiner Arbeit betont Haas, daß das
Psychische, weil es nie Schauplatz der menschlichen Hand-
lung und niemals unmittelbarer Stoff der menschlichen Betätigung
gewesen ist, immer vernachlässigt worden ist;
selbst da, wo das Seelische im Vordergrund des Interesses
stand, wie bei gewissen Erscheinungen religiöser Versenkung
im Buddhismus und im Christentum, wurde es nicht um
seiner selbst willen betrachtet, sondern nur unter dem Gesichtspunkt
seines Wertes für den letzten religiösen Zweck.
Ganz anders dagegen in der physischen Welt, in ihr haben
wir Klarheit geschaffen und betätigen uns in ihr. Und
doch liege kein prinzipieller Grund vor, daß wir uns nicht
in der psychischen Welt gerade so orientieren und häuslich
machen können, als in der physischen; sie sei eine reale
Welt, die unabhängig von der zufälligen Wahrnehmung
existiere. Allerdings müsse die „psychische Materie" —
Haas gebraucht den Eindruck im allgemeinsten Sinn, ohne
ihn irgendwie im Sinne der Physik zu verstehen — erst
durch die Form des Ichs — des individuellen oder überindividuellen
— hindurchgegangen sein, um eine Welt von
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