http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1922/0469
Psychische Studien.
Monatliche Zeitschrift,
vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des
Seelenlebens gewidmet
49. Jahrg. September 1922.
Astrologie-Prozesse in München.
Von Ing.-Chemiker Felix Kunert.
Vor der Strafkammer des Landgerichts in München fand
unter dem Vorsitz des stellvertretenden Landgerichtsdirektors
Binsfeld in zweiter Instanz im Juli d. J. gegen den Schriftsteller
und Astrologen Max Grimm wegen „Gaukelei" eine
Verhandlung statt, welche in mehrfacher Hinsicht inter-,
essant ist, da in diesen Gerichtsverhandlungen Probleme aufgerollt
und abgeurteilt werden, welche zweifellos den Leserkreis
der „Psychischen Studien" interessieren dürften, aber
auch darüber hinaus Bedeutung haben. Ich habe der Verhandlung
beigewohnt und kenne auch die Akten des Verfahrens
in der ersten Instanz, welches im Januar 1922 vor
dem Schöffengericht stattfand und zu einer Verurteilung
des Angeklagten zu 150 Mark Geldstrafe führte. Gegen
dieses Urteil hatte Grimm aus prinzipiellen Gründen beim
Landgericht Berufung eingelegt, da er in Wort und Schrift
für die Anerkennung der Astrologie als Wissenschaft
kämpft.*)
Die Grundlage der Anklage bildet die erwiesene Tatsache
, daß Grimm Horoskope au.sgearbeitet und
dafür ein Honorar genommen hat, was durch Denunziation
zur Kenntnis der Behörde gelangte, worauf Anklage wegen
„Gaukelei" auf Grund § 54 Polizei-StGB. erfolgte. Eine
Schädigung von Personen wurde nicht festgestellt. Grimm
und mit ihm der von der Verteidigung als Sachverständige
geladene Dr. Max Kemmerich, dessen Werke „Prophezeiungen
" und „Kausalgesetz der Weltgeschichte" von der
gioßen Sachkenntnis dieses Gelehrten auf den in Frage
kommenden Gebieten zeugen, sowie sein Verteidiger Rechtsanwalt
Dr. von Scanzoni verfochten in der ersten Instanz
schon die These, daß Astrologie eine Wissenschaft sei und
als solche auch bereits in anderen Ländern anerkannt werde.
In der zweiten Instanz wurde vom Vorsitzenden der Strafkammer
die Vernehmung der Sachverständigen
abgelehnt, welche die erste Instanz zugelassen hatte. Der
*) Siehe den ausführlichen Prozeßbericht in den Uranusbüchern von
A. M. Grimm — Sonderband Verlag Fleischer Leipzig»
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