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464 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 9. Heft. (September 1922.)
sei hier nochmals ausdrücklich festgestellt, daß die Aehn-
lichkeit der beiden Beschreibungen erst zwei Tage nach
der zweiten Sitzung dem Verfasser auffiel, als er seine
schriftlichen Notizen aus der ersten Sitzung mit denen aus
der zweiten verglich. Es war dies am 1. Juni. Also an eine
Gedankenübertragung oder Projektion eines Gedankenbildes
kann gar nicht gedacht werden, und es bleibt lediglich
als Tatsache die merkwürdige Uebereinstimmung der
zwei Beschreibungen der beiden Hellseher und die auffallende
Namensnennung zu bemerken, die übrigens nicht
die einzige in der Sitzung war.
Ein anderes Geistwesen wurde zunächst als Martin
Mehlhorn bezeichnet, was nicht ganz stimmte, dann aber
nach nochmaliger Anfrage bei dem unsichtbaren Geistwesen
, ganz richtig als Mehlhose, ein glänzender Beweis
für die Hellhörigkeit des Mediums.
Natürlich ist eine Vorausbesprechung, bzw. eine Verabredung
der beiden Hellseher nach Lage der Umstände
völlig ausgeschlossen; der eine ist ein Engländer, der andre
ein Deutscher; keiner kannte die Sitzungsteilnehmer im
voraus und lernte sie auch kaum im Verlaufe der Sitzung
näher kennen; beide waren vollständig fremd in der Stadt
und Provinz. Eine beabsichtigte Täuschung und Irrefüh
rung liegt also unbedingt außer dem Bereich jeder Möglichkeit
. Es ist mir nicht bekannt und ganz unwahrscheinlich
, daß sich Herr Petzold irgendwie um die Aussagen
des Engländers bekümmert hätte, er hätte auch irgendwo
anders als bei dem Verfasser etwas erfahren können.
Es bleibt somit als Erklärung für die auffallende Gleichheit
der Aussagen, da wir doch den Zufall ausschließen
müssen, nur die Annahme übrig, daß die beiden Hellseher
wirklich ein solches Geistwesen gesehen haben, wie sie
beschrieben, und daß es beidemal dasselbe gewesen ist,
gibt die fast wörtliche Uebereinstimmung genügend zu erkennen
. Wir müssen also in der Tat auf die Identität des
Sehens desselben Geistwesens schließen und damit die Tat
sache des Hellsehens überhaupt anerkennen.
Wenn jemand die letztere leugnen wollte, könnte er doch
höchstens die durchaus unwahrscheinliche Annahme machen,
daß ein Betrug von beiden Hellsehern oder einem derselben
vorliegt, oder eben die andere, daß eine Gedankenplastik
stattgefunden habe, was beides bereirs widerlegt ist. Ein
Drittes ist mir unerfindlich. Wenn aber ein wirkliches Hellsehen
angenommen werden muß, dann ist damit auch zu
zugeben, daß etwas objektiv Reales vorhanden gewesen
sein muß, d. h. eine für beide hellseherischen und hellhörenden
Medien gleichmäßig sichtbare und vernehmbare
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