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488 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 9. Heft. (September 1922.)
körperung der Weltharmonie darstellen soll, während alle
übrigen ägyptischen Pyramiden, die ihr an Größe und Bedeutung
nicht allzu ferne stehen, nur als Zweckbauten, als
monumentale Grabmäler gewertet werden.
In gewissem Sinne sind freilich alle Pyramiden Aegyptens
bewußt in den großen Weltzusammenhang hineingestellt
und es wäre an und für sich durchaus nicht verwunderlich
, wenn sie in ihrer Gesamtdisposition etwas wie ein
Weltmodell vorstellen sollten. Von den ägyptischen Tempelbauten
sagt Köster in einer Abhandlung über die ägyptische
Pflanzensäule: Wir müssen im ägyptischen Tempel das Abbild
der Welt erkennen. Adamy spricht in seiner Architektonik
des Altertums allgemein davon, daß die Wellgesetze für
die Architektur Gegenstand der Kunstdarstellung seien.
Pinza hält in seinem Beitrag des Bolletino della reale Societä
geographica, Rom 1913 (Due Cosmografie) daran fest, daß
das ägyptische Königszelt und der Altar, der gewöhnlich
unter einem von 4 Pfosten getragenen Zeltdach aufgestellt
wird, als Symbole des Weltalls zu werten sind. Häufig finden
wir in ägyptischen Grabkammern die Decke mit Sternen bemalt
. Das sind alles Zeugnisse, welche die Auffassung, daß
wir es auch bei den Pyramidenbauten mit einer kosmischen
Symbolik zu tun haben, durchaus gerechtfertigt erscheinen
lassen. Pinza geht in der angeführten Abhandlung auf die
Pyramidenform ein und deutet ihre Grundfläche als Symbol
der Raum weit, da sie wie diese nach den 4 Himmelsrichtungen
orientiert sei. (Die Pyramiden sind ausnahmslos genau
mit dem Eingang gegen Norden gerichtet; falls sie mit
einem Tempel in Verbindung stehen, befindet sich dieser
stets an der Ostseite). Die sich nach oben verjüngende
Pyramidenform nimmt er als Symbol des Feuers, wie das ja
für das ausgehende Altertum von Ammianus Marcellinus
bezeugt ist. Die Grundfläche der Pyramide als Symbol der
Welt der Materie findet sich auch in der Theorie von Papus
in seinem Traite el^mentaire de science occulte S. 192; er
deutet dann weiter die aufsteigenden Flächen als die geistige
Welt, die Spitze als das Zentrum, dem ^ die Ideen dieser
geistigen Welt entstammen.
Von ganz besonderer Wichtigkeit scheint mir eine
Theorie, welche Papus nach Christian, Histoire de la Magie,
zitiert. Dort werden die 3 großen Pyramiden des Feldes bei
Gizeh als die Symbole der Natur (Cheopspyramide), der
Bewegung (Chefrenpyramide) und der Zeit (Pyramide des
Menkewr6) gedeutet. Christian zählt 7 Pyramiden und
glaubt, daß die Aegypter damit die 7 Planeten weiten symbolisieren
wollten.
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