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Schwab: Das sympathische Nervensystem. 617
gegangen, die Gemütsanlage des Menschen direkt mit dem
gegenseitigen Spannungsverhältnis der innersekretorischen
Drüsen zusammenzubringen.
Es hat sich gezeigt, daß die vier Charaktertypen der
Aken (Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker, Melancholiker)
nicht Phrasen sind, sondern im Drüsenverhältnis begründet
liegen.
Privatdozent Dr. E. Kretschmar in Tübingen spricht
von einer Blutdrüsenformel, die man für jeden Charaktertyp
aufstellen könne.
Er sagt in einem Aufsatz des „Berliner Tageblatt*' vom
Herbst 1921, nachdem er die alte Humoralpathologie berührt
hat: „Diese uns lange ganz entfremdete „humorale"
Auffassung der Seele ist uns durch die moderne Blutdrüsenforschung
wieder nahegekommen. Ist bei einem Menschen
die Schilddrüse verkümmert, so bleibt er körperlich ein
Zwerg, seelisch bietet er das stumpfe Bild der kretinen Verblödung
. Aehnliche Doppelwirkung auf Temperament und
Körperwachstum haben die Keimdrüsen, wie die Kastration
der Haustiere zeigt. Chemische Reizstoffe werden von all
diesen Drüsen ins Blut abgegeben, Reizstoffe, die, mit den
Körpersäften überall kreisend, hier hemmend, dort antreibend
wirken. Sie bilden zusammen einen Konzern zur
chemischen Regulation von Körperwachstum und seelische
Entwicklung.
Wenn dem aber so ist, so bekommen wir über den Zusammenhang
von Körperbau und Charakter ganz neue Aussichten
. Es kann dann nicht mehr eine beliebige Seele in
einem beliebigen Körper wohnen, so wie man den Inhalt
einer Flasche in jede anders geformte füllen könnte. Sondern
es ist eine einheitliche „Blutdrüsenformer', eine einzige
chemische Struktur, aus der sich die Gesamtindividualität
eines Menschen nach seiner körperlichen, wie nach
seiner seelischen Seite heraus entwickelt. Bis in die kleinste
Haarwurzel hinein ist alles durch den Gesamtplan der Persönlichkeit
festgelegt. Leute mit buschigem Haarschopf
haben eine andere Seele als die Herren mit den schönen
Glatzen, und Leute mit einer dicken Nase eine andere als
mit einer dünnen."
Weiter spricht er von der Zyklothymie und der Schizo-
thymie mit je zwei Charaktertypen, in die alle Menschen
eingeteilt werden könnten.
Es handelt sich hier um eine Ableitung aus den Geisteskrankheiten
: Zirkuläres Irresein und Schizophrenie. Das
zirkuläre Irresein hat zwei Formen resp. Polaritäten: Die
Manie (seelische Uebererregtheit) und die Melancholie (Depression
)*
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