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£18 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1922.)
Die Schizophrenie hat ebenfalls zwei Formen: Die übermäßige
Sensitivität mit üppiger Produktion einer Vorstellungswelt
, wie wir es bei der Paranoia finden, und die
Stumpfheit, den Negativismus, wie wir es bei der Katatonie
(Dementia präcox; finden.
Diese vier Typen können nach meiner Meinung als die
äußersten, ins Krankhafte getriebenen Extreme von Scelen-
zuständen aufgefaßt werden, wie sie in normaler Form
unter allen Menschen verteilt sind.
Wir sehen auch sofort, daß sich die vier Typen des
Irrsinns mit den vier Temperamenten decken.
I.
Zirkul. f b) Melancholie — melanch. Temp. \ 7 1, u
Irresein \ a) Manie — chol. Temp. ) ^yklotnymie.
II.
Schizo- f a) Paranoia — sangum. Temp. ( Q v ,
phrenie I b) Katatonie — phlegmat. Temp. j ^cnizomymie-
Kretschmar nimmt hier die lange verabscheute Hu
moralpathologie der Alten wieder auf. Er huidigt jedoch du-
bei einem psychophysischen Parallelismus, wie er bis vor
20 Jahren noch gangbar war, aber jetzt nicht mehr haltbar
ist, jedenfalls anders interpretiert werden muß.
Schon 1895 zeigte H. Nußbaum in seiner Arbeit:
„Ueber den Einfluß geistiger Funktionen auf krankhafte
Prozesse", daß Psyche und Organismus (zw. Zentralnervensystem
und Organsystem) in einem antagonistischen Verhältnisse
zueinander stehen.
Dies haben später D u b o i s (Einfluß des Geistes auf
den Körper — Einbildungskrankheiten) und F1 e i n e r (Magen
- und Darmstörungent bestätigt, ferner Hirt und
Bumke. Bestätigungen liefern auch die neueren psychiatrischen
Forschungen über Schizophrenie (siehe Husemann
und Schilderl Auch Forscher wie Fließ, Driesch und
Schleich führen ganz und gar von der bisherigen monistischen
Deutung des psychophysischen Paralielismus ab.
In der „Zeitschrift für ärztliche Fortbildung", 1918,
Nr. 19, schreibt Mohr über die Beziehungen der Psychotherapie
zur Gesamtmedizin, worin er zeigt, daß man durch
Hypnose nient nur eingebildete, sondern auch organische
Krankheiten beseitigen kann.
Die alte Auffassung des psychophysischen Parallelismus
ist: Kein Gedanke, keine Gemütsbewegung ist möglich ohne
chemische oder physikalische Veränderung im Körper. Die
Seele ist eine Aeußerung der chemischen und mechanischen
Vorgänge im Organismus.
Die neuere Auffassung ist: Allerdings kein Gedanke,
keine Gemütsbewegung ohne physikalische und chemische
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