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550 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1922.)
Tageszei t ttu ge n.
Der „Matin", die Sorbonne und das Medium, Wir berichteten jüngst
über das Preisausschreiben des Pariser „Matin" für ein einwandfreies
metapsydiisches Experiment, zu dessen Feststellung oder Ueberwachung
denn auch drei bewährte Fachgelehrte gewonnen seien. Nun bringt
der „Matin" eine Mitteilung, wonach in der Tat einschlägige Versuche
im physiologischen Laboratorium der Universität begonnen haben. Als
Teilnehmer werden genannt L a p i c q u e , Professor der Physiologie,
Dumas, Professor der Psychologie, und Hochschulprofessor Pierron
. In einer Reihe von Sitzungen, schreibt der „Matin", die noch
einige Zeit beanspruchen dürften, haben die drei Gelehrten zu prüfen
begonnen, ob das Medium Eva wirklich imstande ist, „Ektoplasmen"
hervorzubringen, d. h. gewisse fluidische Materialisationen, die aus dem
Körper des Mediums treten und die Gestalt von Gesichtern und menschlichen
Gliedern annehmen sollen. „Man spricht unter der Hand von
erstaunlichen Ergebnissen, die erzielt wurden... Obgleich die Versuche
noch nicht abgeschlossen sind, glauben wir zu wissen, daß sie bis jetzt
zu Feststellungen geführt haben, die ein Unterrichteten etwa so zusammenfassen
würde: Je mehr die Kontrolle sich verschärft, um so geringer
werden die Phänomene. Wenn die Kontrolle vollkommen sein wird,
werden sie dann ganz verschwinden? Das ist jetzt die Frage/*
Sowei: der „Matin4*. Hierzu ist zu bemerken, daß es sich um das
Medium Eva Carrere handelt, mit dem s. Zt. Schrenck-
Notzing und später Dr. Geley- Paris ihre hervorragenden Untersuchungen
angestellt haben. Die Kommission Dumas-Lapicque-
Pierron dagegen ist anscheinend eben erst neu auf den Plan getreten
: „Vor Tische las man's anders", d. hf., der „Matin," wußte
jüngst noHi zu melden, daß die Professoren Riebet, de Gramont,
d'Arsonval für die geplanten Versuche gewonnen seien. Da diese
drei Herfen okkultistisch erfahren und in der Fachwelt bestens bekannt
sind, fragt man sich also: warum plötzlich dieser Wechsel
derKommission?! Ohne den oben genannten Sorbonne-Pro fessorem
zu nahe zu treten, darf man wohl die Frage aufwerfen, warum es
denn nicht bei den erfahrenen Okkultisten geblieben ist, die für das
Gelingen der Versuche unter allen Umständen doch bessere Gewähr
geboten hätten als die gelehrten Laien der Universität. Es steht ja
leider fest, daß jemand in seinem Fache ein großer Mann und gleichzeitig
in einem ihm nicht vertrauten anderen Fache ein blutiger Dilettant
sein kann. Hoffen wir also einstweilen, daß die Kommission
Dumas -«Picquart-Pierron diese Bedenken gegen ihre Zusammensetzung
nicht rechtfertigt, und daß sie nicht nur subjektivehrlich
arbeitet, sondern auch mutig genug ist, vor der Oeffentlichkeit
zu vertreten, was ihr hier an neuen Erfahrungen in den Schoß fällt.
Zweifellos verdächtig muß dagegen das Verhalten des „Matin"
genannt werden, wenn er sich von einem „Unterrichteten" unter der
Hand verraten läßt, die Verschärfung der KontroHe schade offenbar den
Versuchsergebnissen, und ee sei nun die Frage, ob eine vollkommene
Kontrolle sie ganz zum Schwinden bringe. Klingt das nicht sehr nach
Flaumadherei, die ein ungünstiges Vorurteil über die Echtheit der
ganzen Erscheinungen wecken soll0 ... Warten wir also das
weitere ab, indem wir unsererseits dem Professorenjkollegium und dem
hinter ihm stehenden „Matin"leuten gegenüber wachsam und skeptisch
bleiben. Dr. L o m e r.
„Eine okkultistische Niederlage." Der Pariser ,„Matin hatte 150 000
Francs als Preis für den Nachweis gewisser, von den Okkultisten behaupteter
Phänomene, nämlich der Teiekinese, des Ektoplasmas und der
immateriellen Schrift, ausgesetzt. 198 Okkultisten hatten sich zu dem
Wettbewerb gemeldet, deren Experimente durch ein Kollegium von
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