http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1922/0588
576 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 11. Heft. (November 1922.)
sehne sich nach seiner Ursprungsheimat, dem Tertiärmeer,
zurück und müsse bei einer psychischen und körperlichen
Einstellung aüf eine Wärmekultur wieder gesünder und normaler
werden.
Die vielumstrittene Frage „was ist Erkältung", würde
auch leichter zu einem Abschluß kommen, wenn man den
Sympathikus dabei berücksichtigen würde. „Erkältung gibt
es nicht'* sagte ein Hochschulprofessor meiner Zeit mit
Entrüstung, „es gibt nur Infektion41.
Inzwischen hat der Bazillus als Götze oder Sündenbock
schon etwas von seinem Ansehen verloren, man spricht
von zeitweiligem Tiefstand der Abwehrfermente, zeitweise
hoher oder niedriger Virulenz der Bakterien, die natürlich
wieder von woanders reguliert werden muß. Wir wissen,
daß sich Menschen oft in einem Augenblick „erkälten", ja,
daß nur der Gedanke an einen Luftzug schon einen Schnupfen
herbeirufen kann. Die Bazillen sind immer da, das
wissen wir von der Tuberkulose, von der Diphtherie usw.
Infektionen können wir also immer bekommen; aber in
dem Falle einer „Erkältung" kommt sie sehr wahrscheinlich
auf dem Wege durch die Psyche über den Sympathikus.
Wir müssen annehmen, daß, wenn nur einen Augenblick
das beaufsichtigende System des Sympathikus, dem die
Ferment- und Abwehrstoffbildung untersteht, seinen Wachtposten
unkontrolliert läßt — vielleicht auch durch Dazwischentreten
einer Störung der elektrischen oder magnetischen
Spannung: (biochemisches Gleichgewicht) die Invasion der
Bazillen (= Erkältung) stattfinden kann. Auch die Auffassung
von den Gelosen (eine Art Gerinnung gelöster Stoffe
im Blute oder in den Geweben\ die schon Haigh vertrat,
erklärt nicht, wie der einzige Luftzug oder der bloße Gedankt:
erklärt nicht, wie der einzige Luftzug oder der bloße Gedanke
daran, oft zu einer Erkältung führen kann. Das Empfinden,
sich erkältet zu haben, geht vom Solarplexus aus. Interessantere
Betrachtungen würden sich daraus noch auf dem Gebiet
der Ermüdungstheorien und dem des Schlafs ergeben. Ein
ganz neues Licht wird durch diese Betrachtungen auf die H o
möopathie geworfen, die mit kleinsten Arzneireizen und
zugleich rhythmisch arbeitet. Sagt schon Schleich, der
Sympathikus sei der Rhythmusnerv, so finden wir abgesehen
davon in der enorm fein abgestimmten „Psyche des Gan-
gliensystems" einen Katalisator zum Umsetzen kleinster Reize
zu großen physiologischen Wirkungen. Wir haben gesehen,
die Himmelsrichtungen, die Polarnacht, das Nordlicht und
andere meteorologische Einflüsse wirken auf das Unterbewußtsein
des Menschen ein, kommen weiterhin den sogenannten
Sensitiven" zum Tages-Bewußtsein. Kleinste Reize,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1922/0588