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578 Psychische Studie«. XLIX. Jahrg. 11. Heft. (November 1922.)
die anfangs von außen gegeben waren, in die Ganglienzelle
eingewandert und dort dauernd fixiert worden seien.
Wenn man da zwar noch nicht von einer Assoziation
sprechen kann, so ist aber dennoch der Vergleich mit der
sogenannten Gewohnheit angebracht. Eine erworbene
Vorstellung oder ein Reiz tritt periodisch auf, verankert
sich allmählich im Psychoid und wird dadurch zu einer
selbständigen Funktion.
Dies wird nicht nur durch einen Assoziationskomplex
bewirkt — dieser mag eine Zugabe sein — sondern da steckt
etwas dahinter, was unindividuell arbeitet, dasselbe, was in
jeder tierisghen Protoplasmamasse arbeitet und zweckbewußt
vorgeht.
Ich will nicht die längst breitgetretene Frage nach einem
Zweck im Naturwerden anschneiden, aber ich will den
Blick hinlenken auf die Frage, wie die Natur es wohl
macht, solch einen komplizierten Stoff, wie das Adrenalin,
zu erfinden*), das in einer sehr großen Derivatenreihe gerade
dasjenige Glied ist, das auf die Blutgefäße eine zusammenziehende
Wirkung ausübt? Fängt es die Natur
so an. wie etwa Hata mit den Arsenpräparaten, wo alle
Verbindungen durchgeprüft wurden, bis man bei einer 606 ten
fand, daß sie ein Heilmittel gegen Syphilis sei und dadurch
den Namen Salvarsan bekam? Oder hat die Natur kürzere
Wege, findet sie vielleicht das, was sie braucht, auf direkte
Weise.
Und welches Wissen steht dahinter, wenn es kein Ausprobieren
ist?
Man kann dies ganze Gebiet „okkulte Biologie" nennen.
Es wird eine Zeit kommen, wo auch die Zoologie und
Entwicklungslehre einen parapsychologischen Standpunkt einnehmen
werden, indem' eben nur von dorther diese Fragen
angeschnitten und gelöst werden können.
Zum Schluß darf nicht unerwähnt bleiben der Zusammenhang
zwischen Sympathikus und Sexualsystem,
was nochmals auf die Entwicklungsgeschichte ein Licht
zurückwirft. Wir können mit großer * Wahrscheinlichkeit
annehmen, daß Weiterentwicklung nicht nur von außen
her bedingt wird, sondern als eine letzte Auswirkung des
Zeugungstriebes aufgefaßt werden kann.
Zeugung ist, in weitestem Sinne gesprochen, eine Lieber
Produktion. Physiologisch und histologisch besteht ja kein
prinzipieller Unterschied zwischen der gewöhnlichen Zell
*) Es ist vielleicht nicht uninteressant, daß es der Heilmittelindustrie
von heute möglich gewesen ist, Adrenalin auch synthetisch (das Hyper-
nephrin der „Feinchemie** G.m.b.H.) herzustellen. Kr.
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