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Vogelhuber: Erlebnisse okkulter Art.
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die Rede. Es war an einem Samstag vormittag, als meine
Mutter erregt anfing von dieser Schwester zu sprechen
und uns aufforderte, uns umzuschauen, ob sie nicht die
Stiege heraufkomme. Ich erinnere mich ganz gut noch,
daß wir sie zur Ruhe verwiesen. Sie gehorchte zwar, aber
beim Mittagessen fuhr sie plötzlich ganz spontan auf, um
die Aufforderung, im Treppenhaus nach der Schwester umzuschauen
, wieder auszusprechen. Ich erinnere mich genau
noch, wie ich sie damals etwas anfuhr, doch Ruhe zu geben.
Sie schwieg. Beim Nachmittagkaffee saßen wir, die ganze
Familie, zusammen, als die Mutter wieder begann: 4,Die
Luise kommt die Stiege herauf, schaut euch um; wenn
ihr nicht nachschauen wollt, muß ich selber aufstehen und
nachschauen." Ich erinnere mich genau noch, wie ich
mich nun über die ganze Art ihres Gebarens aufregte und
ein kaltes Gefühl über den Rücken bekam. In diesem
Zustand riß ich das Fenster auf und sah auf die Straße,
um zu bemerken, daß meine Schwester daherkam. Sie
hatte Streit bekommen und war Hals über Kopf heimgefahren
.
Es scheint, daß meine Mutter diese ihre räumlich und
zeitlich entfernten Kinder im Gesichte sah, weil diese in
großer Erregung der Nerven sich befanden. Wir Kinder,
auch unser Vater hatten damals gar kein Verständnis für
diese Zustände der Mutter. Wir pflegten sie zur Ruhe
zu verweisen. Leider haben wir sie deshalb auch nicht zum
Gegenstand sorgfältiger Beobachtung gemacht-
3. Meine Schwägerin ist sehr sensitiv. Sie vermag das
automatische Schreiben ausgezeichnet zuwege zu bringen,
auch eignet sie sich als Medium für das sogenannte Gedankenlesen
.
An einem Novemberabend 1919 ging ich, überarbeitet
und erregt, im dienstlichen Gespräch mit einem Herrn den
Weg von der Galeriestraße bis zum Wittelsbacher Platz,
wo wir beide längere Zeit stehen blieben. Von da an
wanderte ich allein den Weg zum Stiglmaierplatz, um hier
in die Straßenbahn einzusteigen. Um die gleiche Zeit, als
ich mich auf dem Wittelsbacher Platz befand, ging meine
Schwägerin in Begleitung meiner Frau die Treppe zu unserer
im zweiten Stock gelegenen Wohnung hinauf. Das Treppenhaus
ist breit und übersichtlich. Sie ging etwas voraus.
Plötzlich sagte sie zu meiner Frau: „Dort oben geht O.
(ich!)" und beeilte sich mir nachzugehen, da die beiden
den Gangschlüssel nicht eingesteckt hatten. Sie sah mich
in einer für mich damals charakteristischen Gebärde — die
linke Hand leicht gegen das Knie gepreßt — die Stiege
steigen und den Weg in die Wohnung nehmen. Bis auf
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