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640 Psychische Studien, XLIX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1922.)
ihrem Plagegeist zu befreien. Doch verlief die Nacht ruhig,
und in der Tat sind seit jener Zeit die Störungen der Nachtruhe
und Angstgefühle bei der Frau fortgeblieben, so daß
sie wieder ihres Lebens froh und arbeitsfähig geworden ist.
Auch einige Freunde des Herrn W. hatten in der Zwischenzeit
durch Fürbitte sich mit ihm vereint, den Geist endlich
auf den richtigen Weg zu führen und die Geplagte von
ihm zu befreien. Dies scheint nun völlig gelungen zu sein.
JFrau B. hatte sogar einen Traum, daß ein großer
lichter Geist sich ihr nähere und sie dreimal taufte,, indem
er sagte: „Du mußt dich erst taufen lassen" und sie'dabei
dreimal mit Wasser besprengte, obgleich sie sich im Traume
dagegen wehrte. Die Frau erholte sich darauf von Tag
zu Tag mehr und geht nun ohne Furcht zur Ruhe und mit
Freuden an jede ihrer Arbeiten. Vor kurzem, nach Verlauf
einiger Wochen, hatte Frau B. wiederum einen erhebenden
Traum, der ihr deutlich in Erinnerung blieb, da sie bald
darauf erwachte: ein hoher erhabener Geist erschien ihr
in lichtem Gewände mit einer stark glänzenden goldenen
Krone auf dem Kopf und sagte zu ihr, als er aus weiter
Ferne nahe an sie herangetreten zu sein schien: „Macht
euch bereit! Ich komme bald zu euch".
Wenn eine solche Wandlung in der Seele eines Menschen
vorgeht, so können wir uns diese sicher nicht anders
erklären, als daß geistige Einwirkungen aus dem Jenseits
ausgeübt werden. Und hier kann man erkennen, daß gerade
der, welcher am meisten zu leiden hat, dann auch dafür
durch größere, schönere Gaben entschädigt wird. Ob die
letzte Prophezeiung eine weitere Bedeutung hat, muß dahingestellt
bleiben. Unmöglich ist es nicht, daß auch hier
wieder, wie schon so oft in andern Fällen, der Menschheit
die Ankunft eines neuen Schicksalswenders angedeutet wird.
Unzweifelhaft aber ist es, daß die geschilderten Vorgänge
sich nur durch die Annahme von Heimsuchungen durch
einen irrenden Geist aus jener Welt erklären laßsen, und
daß sie nicht lediglich pathologischer (krankhafter) Natur
sind. Zugleich wird durch den Verlauf der Sache bewiesen,
daß nur die Liebe der Mitmenschen und das Gebet uns aus
diesen Wirrnissen befreien können.
Prophezeien und Hellsehen.
Von Rudolf Tischner.
Vor mir liegt ein Büchlein, auf dessen Titelseite plakatartig
in grellem1 Rot der Kopf eines indischen Magiers oder
dergleichen abgebildet ist, der mit tiefsinnigen Augen die
Geheimnisse der Zukunft enträtseln zu wollen scheint. —
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