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654 Psychische Studien. XL1X. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1922.)
ägyptische, überhaupt alle Kartenzeichen kenne.'* „Na, um
so besser! Dann können Sie ja kontrollieren. Das steht
hier!" Es handelte sich um „Der Reiter" (Napoleon) und
„Die Schlange", was je nach der Lage Glück oder Arglist
bedeutet. Ihre Methode war originell, sie mischte die französischen
Lenormandkarten mit deutschen Karten, teilweise
am Rand mit Zeichen wie „Hammer", „Sense" usw. gezeichnet
, und außerdem einem nicht gezeichneten Kartenspiel
. Außerdem hatte sie eine selbstgefundene Zeitzählungsmethode
. Woher sie das habe? Das wisse sie nicht,
das sei ihr so gekommen. Nun wohl, regelmäßig kontrollierte
ich und überall entsprachen die Karten genau ihrer
Auslegung. Man versteht wohl, warum ich dies ungeheuerlich
finde. Einen herrlichen Beweis telepathischen HelJ-
gesichts in wachem normalen Zustand würde man ja immer
begrüßen, doch dies Entgegenkommen zwischen Materie
(Karten) und Psyche (Leserin) spottet aller Menschenbegriffe
."
Es wäre von Interesse, dies Gebiet ohne Vorurteil
weiter zu bearbeiten. Auch der Herausgeber hat gelegentlich
ähnliche Leistungen bei Kartenlegern, die Medium
waren, beobachtet.
Zum Fall Weber-EoMne. mit dem wir uns auf Seite 168 dieses Jahrgangs
auf Grund des Materials der B. S.-Korrespondenz beschäftigten,
geht uns durch die S. u. H.-Korr. folgende Mitteilung zu, die den
Selbstmord des Fräuleins M.-H. aufklärt. Zu \nfang des Jahres 1922
erregte der Selbstmord der Verkäuferin Gertrud Möller-Hehhng zu
Berlin großes Aufsehen. Der Vorfall wurde mit ihrer Mitgliedschaft beim
Orden der Okkultisten in Verbindung gebracht und dessen Präsident, der
amerikanische Professor Friedrich Weber-Robine, als Universalerbe bezeichnet
. Dieser hatte daraufhin sofort bei der Staatsanwaltschaft die
Einleitung eines Verfahrens gegen sich und die Beschlagnahme des gesamten
Ordensmaterials beantragt. Der Oberstaatsanwalt hat nunmehr
die Einstellung dieses Verfahrens verfügt, nachdem sich weder in
medizinischer, noch in strafrechtlicher Beziehung ein Anlaß zum Einschreiten
gegen Weber-Robine ergab. Außerdem ist durch die Urkunden
des Cbarlottenburgei Amtsgerichts erwiesen, daß er nicht der Universalerbe
der Verstorbenen ist. Diese hatte in einem Abschiedsbrief an den
Oberpräsidenten diesem zwar einige Schmuckgegenstände
vermacht, er hatte aber die Annahme bei Eröffnung des Briefes in
Gegenwart dritter Personen sofort abgelehnt. Dagegen ist Weber-Robine
vom Nacblaßgericht als Testamentsvollstrecker bestätigt worden. Der
gesamte Nachlaß fiel dem Orden zu und hatte einen Wert von tünfzehn-
tausend Mark. Das hinterfassene Tagebuch berichtet über ein arg bewegtes
Leben. Schon als 18 jähriges Mädchen hatte sie sich in den
Tegeler See gestürzt und in späteren Jahren drei weitere Selbstmordversuche
gemacht. Auch der diesmalige wäre mißglückt, hätte sie
nicht beim Leeren des Giftbechers unaufgelöste Teilchen in die Lunge
gebracht und so deren Entzündung hervorgerufen. Der Zustand, in
weichem sie in das Krankenhaus eingeliefert wurde, war nach Ansicht
des Arztes kein hoffnungsloser. Jedenfalls kann als festgestellt gelten,
daß der Grund zum Selbstmord in einer unglücklichen Veranlagung zu
suchen ist, denn auch ihr Vater starb an Schwermut, während ein
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