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656 Psychische Studien, XLIX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1922.)
und zu allen Zeiten die Philosophen und Forscher in zwei große Haupt«
lager geteilt haben. Diese Grundrichtungen, die man in ihrem Extremen
als Materiaiismus und Idealismus oder Spiritualismus bezeichnen kann,
hat nun Prof. Dr. Ludwig mit klarer Schärfe erfaßt und sie gewissermaßen
als Leitfäden benützt, von denen aus er seinem Stoff das innere
Licht gab, das dem Leser eine erfreulich leichte Orientierung und Beurteilung
ermöglicht. Daß er sich dabei auch in der Auswahl der zu
bearbeitenden Gebiete weises Maßhalten zur Pflicht machte und sich in
der Hauptsache auf die Probfeme der Telepathie und des Helfsehens,
sowie der Tekkinesie beschränkte, gereicht seinem Werke sehr zum
Vorteil. Fr folgte damit nur den Arbeitsmethoden der modernen wissenschaftlichen
Forscher, welche ihre Forschertätigkeit ebenfalls auf diese
Erscheinungen konzentrieren, die sich durch ihre Häufigkeit dem menschlichen
Forschungstrieb geradezu als Aufgabe aufdrängen. Die Lektüre
gewinnt durch diese maßhaltende Konzentration innere Klarheit und
leichten Fortgang und steigert sich zuweilen zu einem erlesenen geistigen
Genuß, der sich an einigen Stellen, besonders da, wo der Verfasser
auch die Erlebnisse der Ekstatiker und Mystiker in seinen Betrachtungskreis
zieht, bis zur Weihe erhebt. v
Die 11 Abschnitte, in welche sich das Werk gliedert, umfassen:
1. Die griechische Philosophie, Platoniker und Stoiker, Aristoteles.
2. Die Neuplatoniker und Neupyihagoräer. 3. Die altchristlichen Schriftsteller
. 4. Arabische Philosophen und christliche Scholastiker des Mittelalters
. 5. Mittelalterliche Mystiker. 6. Humanisten und Theosophen.
7. Die okkultistische Forschung im Zeitalter der konfessionellen Polemik
und des Hexenwesens. 8. Die okkultistische Forschung in Kampfstellung
gegen Rationalismus und Aufklärung. 9. Die okkultistische Forschung
unter dem Gesichtswinkel des Magnetismus und Somnambulismus.
10. Die deutschen Philosophen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts«
11. Rückblick. Es ist bereits angedeutet, daß man an manchen Stellen
die knappe Bemessung der dargereichten Kostproben bedauert und den
Wunsch nach einer späteren Erweiterung des trefflichen Werkes
empfindet. So vermisse z. B. ich als Schwabe und Nachbar des Bades
Boll den Namen Christoph Blumhardt, dessen von Friedrich Zündel beschriebenes
Leben und Wirken (Die Teufelsaustreibungen bei der Gott-
iiebin Dittus*) und die Gebetsheilungen) eine fortlaufende okkultistische
Forschung darstellt, wenn wir uns auch mit ihren Ergebnissen nach
unseren neuesten Einsichten nicht identifizieren können. Blumhardt stand
eben als protestantischer Geistlicher unter dem Einfluß Luthers, der in
den zahlreichen von ihm in seinen Tischreden berichteten „Fällen" stets
nur das Werk von Teufeln und Dämonen sah im Gegensatz zu dem unbefangenen
denkenden Melanchthon, der unseren heutigen Auffassungen
näher stand. Auch Luther kommt m dem Werke fast zu kurz weg. 'Den
Namen Oetinger (auch ein Schwabe) finde ich ebenfalls nicht, ebenso
nicht Jakob Böhme. Das sind Mängel, die sich zwar ,aus der kondensierten
Fassung des Werkes leicht erklären und entschuldigen lassen,
aber eben doch als Mängel empfunden werden, we*nn sie auch dem Gesamtwerte
des ausgezeichneten Werkes keinen Abbruch tun, das man
als wertvolle und willkommene Ergänzung der okkultistischen Büchereien
gern freudig begrüßt, J. fffig-Göppingen.
*) S. Anzeige in diesem Hefte (Georg Sulz er, „Ein Einblick in
das Tun und Treiben" usw., welches den Pfarrer Blumhardtschen Bericht
an den Kirchenrat über das Medium G. Dittus bringt und bespricht)*
Der Verlag.
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