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Studien" führte ich näheres darüber aus) eine sinnlich-anschauliche
Gliederung der Bewegung, Bewegung im allerumfassendsten
Sinne genommen als Bewegung der Elektronen und Jonen, der
Atome und Moleküle, der Luft und des Lichts, des Schalls und
schließlich auch der festen Körper, die ja doch auch nur
Elektronen- und Jonenwirbel und -rythmen sind. Und Zeit ist
nichts, als das Messen dieser Bewegungen, insbesondere der
Bewegungen, die Tag und Nacht bedingen, sowie der Bewegungen
unseres Herzens und ihre Inbeziehungsetzung zu
unseren Sinnen, Aufgaben und Zielen. Es ist also gewiß nicht
abwegig, da jede Bewegung ein im tiefsten Sinne nie Dagewesenes
, nie Wiederkehrendes bedeutet, mit Bergson von
„duree reelle" zu sprechen. Und ebenso hat auch der Raum
Wirklichkeit, nicht zwar, wie schon ausgeführt, als solcher im
Sinne der euklidischen Geometrie, wohl aber im Sinne der
Erkennbarkeit der ihm zugrunde liegenden Wesenheit. Raum
ist, um es kuiz zu sagen, Bewegung, Kraft, Energie in ihrer
äußeren, menschlich - sinnlich gegliederten Erscheinungsform;
d. h. in der Erscheinungsform, die der Zustand unserer
Sinne, besonders unseres Auges, bedingt; von innen gesehen
aber, wie auch Schopenhauer, Wundt und manche andere es
ähnlich erkannten und vertreten, Wille, unbewußter Wille zunächst
, doch in aufsteigender Entwicklung Bewußtsein, Innerlichkeit
, Geist! Und so bedeutet denn das räum- und zeitbedingte
Ursachengesetz und mit ihm Entwicklung und Entfaltung nicht
ein menschlich-allzumenschliches Urteil unserer reinen Vernunft
nur, das schlechterdings nichts aussagt über das „Ding
an sich", sondern es bedeutet Wahrheit und Wirklichkeit im
Sinne der Übereinstimmung unseres Urteils mit dem objektiven
Geschehen, sodaß jener oben dargelegte Gegensatz zwischen
abstraktem Verstände und sinnlich-wissenschaftlicher Erfahrung
und Wahrnehmung zunächst voll bestehen bleibt.
Und so wäre denn, da wir Gott und Welt als ewig sich
Entwickelnde uns doch nicht wohl denken können, das letzte
Rätsel uns dennoch unlösbar ? Werden wir niemals über jene
Zweiheit und innere Widersprüchlichkeit des Ewigen, Unwandelbaren
und der Welt des Werdens und Vergehens hinauskommen
? —
Bekannt ist, wie die Inder, die Brahmanen, und im Anschluß
an sie in etwas anderem Sinne die Buddhisten, das Rätsel zu
lösen und zu deuten suchten. Das All-eine, Brahma hat sich
zerspalten in die Welt der Erscheinung, die nichts als eben
nur Schein ist und nach tieferer Deutung Sünde zugleich und
Abfall; daraus ergibt sich als ihre einzigste Auf gäbe, • durch
Wesensläuterung und Vergeistigung, durch innere Befriedung
und Ertötung des Willens zum Leben die Zerspaltung, die
Sünde, den Abfall auszugleichen, wiederaufzuheben, um solcherweise
wieder einzugehen in Brahma, den ungeteilten Urgrund,
die ewige Ruhe und Seligkeit. — Scheinbar gibt es keine
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