Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
50. Jahrgang.1923
Seite: 33
(PDF, 183 MB)
Bibliographische Information
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Vogl: Franz Richtmann

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übrigens rascher gewöhnt als man gemeinhin denkt. Reichlich
Olivenöl, Aepfel und Nüsse feinster Qualität fehlten
bei keiner Mahlzeit, deren es im Tag nur zwei gab: mittags
und abends. Frühzeitig wurde aufgestanden, sehr bald
schlafen gegangen. Von Zeit zu Zeit fastete Richtmann
wochenlang, vierzehn Tage und länger, d. h. er aß während
dieser Zeit gar nichts. In den ersten Tagen machte er
trotzdem weite Spaziergänge, dann aber verließ er das Bett
kaum mehr. Am Ende der Fastenzeit hatte er schwarze
Ringe um die Augen und sah fast aus, als ob er dem Grabe
entstiege. Doch erholte er sich sehr rasch. Seine Muskeln
waren wie von Eisen. Sein Alter sah man ihm nicht an.
er sah viel jünger aus als er tatsächlich war.

Gleichwohl litt der physische Körper, wie es schien,
unter dieser Lebensweise und dem so außergewöhnlichen
psychischen Geschehen. Doch wollte Richtmann auf sein
wunderbares Erleben unter keinen Umständen verzichten,
lieber physisch leiden. Es stellten sich Gliederschmerzen
ein. Richtmann erklärte sich dieselben daher, daß er bisweilen
gestört worden ist in seinen Abwesenheitszuständen
und dadurch das Sichwieder-ineinander-fügen von grobstofflichem
und feinstofflichem Körper nur unvollkommen
vor sich gegangen wäre. Die Schmerzen hörten auf, aber
schließlich stellte sich ein Augenleiden ein, das durch eine
Operation nicht behoben wurde, sondern zur Erblindung
führte. Im Oktober 1919 verließ Richtmann Baden, zog
nach Lemberg und starb im November gleichen Jahres.
Ich erfuhr davon erst spät. Ueber die Ursache seines
Todes konnte ich von den polnischen Behörden nichts
erfahren. Ich vermute, daß mein Freund sein Vorhaben,
von dem er mir s. Zt. gesprochen, ausgeführt hat: wenn
die Zeit gekommen, so würde er sich aller Nahrungsaufnahme
enthalten und er habe seinem Hausarzt das Wort
abgenommen, ihn darin nicht zu stören. Diese Art des
Abscheidens aus einem Dasein, das seinen Sinn und Wert
verloren, sah er als die eines seelisch Geförderten einzig
würdige an. Hat dieser materielle Leib seinen Dienst getan
und ist er im Begriff abzudanken, weil seine Daseinsbedingungen
erschöpft sind, dann soll er durch Zuführung
von Nahrungsmitteln nicht gehemmt werden in diesem Prozeß
. Jedenfalls fühlte sich mein Freund zur Genüge psychisch
gereift, das Diesseits zu verlassen, um in ein anderes
Dasein dauernd einzugehen, in dem er kein Fremder
mehr war.

Franz Richtmann hat gelebt und erlebt, wie nur ganz
wenige. Sein bloßes Dasein zeugt von unausgeschöpften
Möglichkeiten menschlichen Seins und Werdens.

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