http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0067
66 Psychische Studien. L. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1923.)
Hier entstanden „Ethische Probleme" und zahlreiche Aufsätze
in freimaurerischen und sozialpolitischen Blättern.
Ein Leser aus den von Maier literarisch stark angezweifelten
spiritistischen Kreisen lud ihn brieflich zu einer Sitzung
in Stuttgart ein. In der ersten bereits erfuhr er (durch ein
einfaches Mädchen aus dem Volke als Medium) wirklich zutreffende
ernste Mitteilungen verstorbener Freunde, wodurch
er zum Studium der Sache und zum Eintritt in die Stuttgarter
„Psych. Gesellschaft" veranlaßt ward. Weitere Eindrücke
folgten und führten zur Mitwirkung an der deutschen Ausgabe
des bedeutenden Buches von P. Camille Revel (Lyon)
„System der Natur und Abhandlung über das zukünftige
Leben", übersetzt von Feilgenhauer, mit Anhang von Prof.
Dr. Maier. 1899 übernahm er, nachdem Dr. Wittig, Aksäkows
Redaktionssekretär, nach 25 jähriger ersprießlicher Tätigkeit
zurückgetreten war, auf den Ruf des Verlags die Schriftleitung
der „Psychischen Studien", die er unter schwierigen
Verhältnissen mit hohem Geschick und erstaunlichem Fleiße,
Takt und unparteiischer Objektivität, Wahrheitsliebe und kritischer
Schärfe nach den Grundsätzen exaktwissenschaftlicher
Experimentalforschung ausübte. Er verstand es, durch
persönliche Einwirkung und Toleranz, allmählich der gegen
Philistertum und bösliche Unwissenheit kämpfenden Monats-
^chrift einen Stab hervorragender akademisch geschulter und
uneigennütziger lieber Mitarbeiter zu sichern und das Interesse
der früher „a priori" geringschätzig urteilenden HocK-
schulwissenschaft zu wecken. Die wissenschaftliche Vereinigung
„Sphinx" zu Berlin, die Gesellschaften für wissenschaftliche
Psychologie in München, Mailand, Breslau u. a. a. O.
ernannten Maier zum Ehrenmitglied, er wirkte jahrelang im
„Weltbund zum Schutze der Tiere und gegen die Vivi-
Sektion", in der Deutschen Friedensgesellschaft und in örtlichen
gemeinnützigen Vereinen und war überall geschätzt.
Auf sein ideal gesinntes Wirken für das Wohl der Menschheit
mußte der jäh hereinbrechende gigantische Weltkrieg
eine große Enttäuschung sein. Alle durch viele weite Reisen
in ganz Europa und im Mittelmeer gewonnenen reichen Erfahrungen
und Hoffnungen auf ein Völkerverstehen und
'wahrhaften Frieden scheiterten an dem furchtbaren Kriegsende
. Er suchte und fand Trost in seiner Wissenschaft und
iden vielen persönlichen Beziehungen als Schriftleiter und
Lichtbringer, als Lehrer und Helfer, und glaubte, bis zum
letzten Lebenstage „wirken, zu müssen, solange es Tag ist",
gemäß dem von ihm erwählten Spruche des alten Cato Uti-
censis: „Esse quam videri".
Die wunschgemäß in aller Stille am zweiten Weihnachtsfeiertage
auf dem alten Tübinger Friedhofe stattgehabte
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0067