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74 Psychische Studien. L. Jahrgang. 3. Heft (März 1923.)
sie gesprochen werden.) Viele verdammen den Chatcha-
Yogha, in erster Linie die Wissenschaft des Atmens , zugunsten
einer einseitigen Betonung des Radscha-Yogha,
der „königlichen Geisteszucht4'. Die alleinige Befolgung des
Chatcha-Yogha bis zu den letzten Konsequenzen ist sicherlich
für den Abendländer gefährlich, weil den meisten die nötigen
Kenntnisse der Physiologie des Menschen, besonders
seines Nervensystems, abgehen. Trotzdem ist der Chatcha-
Yogha in seinen Vorschriften für Diät (auch Kauen usw.),
Waschen und Atmen überaus wichtig, weil in einem schwächlichen
Körper nicht die nötigen Energiemengen zur Verfügung
stehen, die im Radscha-Yogha umgesetzt werden
sollen. Durch Nichtbeachtung dieser Tatsache treten die
schweren Schädigungen (schon beim unrichtigen Gesangs-
studmm zu beobachten!) ein, die leider bei Übungen dieser
Art vorkommen können. Sehr lehrreiches Material dafür enthalten
die Erlebnisse des Lyzealprofessors Stauden-
maier*) an sich selbst.
Diese körperlichen und geistigen Übungen müssen mii
dem ganzen Tun und Lassen des Tscheia (Schülers)
während der Übungen in engster Verbindimg bleiben, damit
keine Zerstreuung der aufgespeicherten Energien eintritt.
Diese Zusammenfassung erfolgt in dem Zweige des K a r m a -
Yogha, der Lebenszucht, dem „Arbeiten und nicht
Verzweifeln".
Und dieses wird und muß eine Verknüpfung mit dem
Weltbild, dem Inbegriff der wissenschaftlichen Kenntnisse,
erhalten durch D schnani-Yogha. Dessen Färbung kann
individuell durchaus verschieden sein und macht hinsichtlich
seines Umfanges am wenigsten aus.
Es wird durch Radscha-Yogha, das den Zusammen-
hang der Welt erschließen lehrt, gewissermaßen seinem In-
halte nach mit erworben bzw. berichtigt. Hier überschreitet
der Yoghin, der angehende Yogin, allmählich die Schwelle
der zeit behafteten Denkformen. Er vermag zeitlos Ver
gangenheit und Zukunft in der Gegenwart zu erfassen. Wenn
ihm dies gelingt, hat er ein großes Ziel, erreicht (lat. ad-
ipisci) und wird Adept genannt; eine Bezeichnung, mit der
ein heilloser Mißbrauch getrieben wird.
Eine äußerst gedrängte Zusammenfassung der eben genannten
Zweige kann im B c hakt i-Yogha erblickt werden
, der durch Gebet fast augenblicklich erreicht, was
isonst durch jahrzehntelange Übungen versucht wird. In
diesem Gebiet des Bchakti-Yogha, der Liebe und Hingebung,
finden sich in der Überlieferung und Ausübung die meisten
*) Die Magie als experimentelle Naturwissenschaft;. Leipzig 1923. 255 S.
Lex 8°. 2. Aufl.
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