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78 Psychische Studien. L. Jahrgang. 3. Heft. (März 1923)
tinbegründet. Denn es ist durchaus möglich, aus dem bloßen
Nachdenken heraus die sichere Überzeugung zu erhalten :
Das Mitgeteilte ist wahr.4* Wenn Steiner behauptet, daß je-
jnand, der diese Überzeugung nicht erhalte, nicht richtig
nachgedacht habe, so unterstreicht er damit nur seine oft
wiederholte Suggestion des „iurare in verba magistri". Und
damit besiegelt er schließlich den Ruin jeder Forschung auf
geistigem Gebiet.
Für das praktische Leben kommt es jedoch nicht auf die
unerquickliche Auseinandersetzung mit Steiner an, sondern
auf das, was im edelsten Sinn für uns am Yogha brauchbar ist.
Ein grundsätzliches Mißverständnis muß dabei von vornherein
beseitigt werden: Der Sinn des Yogha liegt nicht in
einer asketischen Schwächung des Körpers, die sich etwa
in schlaffen, welken Zügen offenbart, sondern vielmehr in
einer weitgehenden Kräftigung und Steigerung seiner Widerstandsfähigkeit
, damit er den enormen Anforderungen des
höchsten geistigen Wirkens gewachsen ist. Hierin liegt erneut
ein Hinweis auf die Unteilbarkeit des Yogha, in dem
hier Chatcha — und Radscha-Yogha ineinander übergehen!
Wir beginnen mit Übungen, die, oberflächlich betrachtet,
gar nicht nach Yogha aussehen. Zum Beispiel mit Kauen,
roit der Nahrungsaufnahme. Diese erfolgt heute vielfach
„gedankenlos", d. h. ohne den Vorgang mit Gedanken zu begleiten
, die den GewinnanLebensenergie beim Essen
und Trinken betonen, ja vielfach so unsorgfältig, daß die
Speisen nur heruntergewürgt werden. Das „Fletchern", jenes
sorgfältige Kauen nach Vorschrift des amerikanischen Arztes
Fletcher, ist jedoch bereits ein Teil des Chatcha -
Yogha, der Leibeszucht. Man findet es, verbunden mit
Diätvorschlägen, auch in dem Buch des Dresdner Arztes
Dr. med. Siegfried Möller1) dargestellt, das überhaupt
manchen wertvollen Wink enthält.
Dem Chatcha-Yogha noch näher stehen die besonders
*auf den Europäer zugeschnittenen Vorschriften von J. P.
Müller „Mein System"2), die allerdings gymnastisch nicht
alle ganz unbedenklich sind. Was das. Waschen usw. be-
trifft, so bringt J. P. Müller vieles zu Beachtende. Auch
über das Atmen, sagt der Däne Wichtiges, ohne jedoch das
Wesentliche, die geistige Einstellung, die Aufnahme
des Prana, gebührend zu berücksichtigen. Dies tritt viel
mehr bei dem ja auch im Okkultismus, besonders der Hyp-
*) Wege zur körperlichen und geistigen Wiedergeburt. Alte und neue
bewährte und begründete Methoden zur Wiedererlangung der Gesundheit.
148 S. Mittel 8°. 5. verb. Aufl. 1920. Berlin W. 57. Otto Salle.
*) 15 Minuten tägliche Arbeit für die Gesundheit. Tillges Buchb. Kph&.
Ausl. Leipzig. K. F. Köhler.
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