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148 Psychische Studien. L. Jahrgang. 4. Heft. (April 1923.)
umbegreiflich-geheimnisvolle Urgrund-Wesen es ist, das auch
durah dein Mund des Mediums die Zeitlichkeit, den Menschen mit
«ich verbindet, zu sich hinaufzieht. Und wenn ich ein Organ
nennen soll, das zu solchem Behufe am Menschen taugt, das rechteigentliche
Seelenorgan, so ist es, wie die neuesten Forschungen,
besonders Schwabs zu ergeben scheinen, der Nervus sympathicus,
die Markoniplatte des Weltalk, wie sie Schleich in Anlehnung an
elektro-dynamische Vorstellungen nennt. Wessen Sympathikus-
Apparat besonders leicht reagiert, besonders vielfältig differenziert
ist, den nennt man sensitiv. Sensitiv aber Ist der Künstler
sowohl als auch das Medium. Durch ihre Sensitivität stehen sie
mit dem Wesen der Dinge in näherer Verbindung als der gewöhnliche
Mensch» Nichts anderes aber als Sensitivität scheint
mir die Intuition zu bedeuten, nur daß diese sich auf das Aesthe-
tische an der Sache bezieht, während jene lediglich biologisch
gedacht ist. Mit allgemeiner Nervosität hat jedenfalls die viel
mißdeutete Sensitivität nichts zu tun, wenngleich es natürlich
richtig ist, daß der Sensitive auch äußeren Schädigungen leichter
zugänglich, daß er organisch schwächer und feiner ist.
Bei alledem bleibt unklar, auf welche Art und Weise der Sympathikus
seiner Aufgabe genügt. Man mag sich in dieser Hinsicht
erinnern, daß die Ansehauungsformen von Zeit, Raum und
Kausalität dem Gehirn eigen, daß aber der sympathische Nerv
schon tätig war, bevor ein Gehirn dachte Raum, Zeit und Kausalität
sind üenkformen unserer Anschauung, d. h. sie sind Voraussetzung
unseres Denkens, sind vor aller Erfahrung fertig in uns
vorbereitet. Kann man vom Nervus sympathicus, der am Aufbau
des sogen. „ZentraT'-Nervensystems beteiligt war, sein Herrscher,
der es sich schuf, um sich bei der Bewegung auf der Erde nach
Lösung von festem Grunde orientieren zu können, kann man von
ihm erwarten, daß er nun auch in dessen erdgebundenen Denkformen
tätig ist? Dann hätte er nicht eigens ein Organ zu diesem
Zwecke zu schaffen brauchen. Sich vorzustellen allerdings, auf
welchem Wege nun die Arbeit des Sympathikus vonstatten geht,
ist uns unmöglich. Wir bleiben, sobald wir uns überhaupt etwas
vorstellen, in den Kategorien unseres Intellekts, in Raum, Zeit
und Kausalität befangen. Aber sollte es nicht noch andere
Formen des Seins geben, deren Artung unserem eingeschränkten,
menschlichen Verständnis unerklärbar bleibt? Es ist das em
Einfall, eine Intuition, nichts mehr, ich gebe es zu. Aber es zeigt,
wie schwierig die Erörterung dieser Dinge ist, wie schwer die
Erklärung besonders der Wissenschaft mit den ihr zu Gebote
stehenden Mitteln werden wird, wenn sie ihr überhaupt gelingt
Nach dem Gesagten ist die innere Verwandtschaft zwischen
Kunstschaffen und medialer Tätigkeit einleuchtend genug. Auffallend
bleibt immerhin das tiefe geistige Niveau, auf den» in
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