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154 Psychische Studien. L. Jahrgang. 4. Heft. (April 1923.)
einem Papier fixieren lassen und die Fähigkeit haben, sich einem
sensitiven Organismus zur Wahrnehmung zu bringen.
Frau Kahl errät nicht nur eine gedachte Frage, sondern gibt
auch die Antwort. Gewöhnlich schreibt der Klient auf ein Stück
Papier die Frage, ohne es ihr zu zeigen, und sie schreibt automatisch
die Antwort und reproduziert dann auch die Frage. So
sehrieb eine Dame: „Gibt es auf meinem Gut eine Petroleum-
quelle?" — Frau K. antwortete: „Nein. Und wenn es etwas
gibt, so ist es zu wenig; es lohnt sich nicht, sich die Mühe zu
machen, es zu gewinnen. Ich sehe ein Feld, daneben ein Gehölz.
Sie wollten wissen, ob es dort Petroleum gilt."
Ein Arzt schrieb: „Wo werde ich begraben werden?" — Die
Antwort war die Beschreibung der Vision eines Grabes. M. T.,
der im Begriff stand, Yalta zu verlassen, fragte in der oben
leschriebenen Weise, wann er abreisen würde. Frau K. antwortete
, daß er noch lange bleiben würde, und obgleich dies
gerade das Gegenteil von dem von M. T. schon gefaßten Entschluß
war, mußte tatsächlich die Abreise wagen plötzlicher unvorhergesehener
Ereignisse aufgeschoben werden.
Eine dritte Person gab ihr einen versiegelten Umschlag — der
die Frage enthielt : „Gibt es in Balkasch (einem Ort in Zentralasien
, dessen Name Frau K. unbekannt ist) Tiger? — Als Antwort
schrieb sie automatisch: „Sehr wenig. Fast alle sind an
der Pest gestorben." Dann schrieb sie Wort für Wort die Frage
selbst. Dieser Umschlag wurde dem Fragesteller, ohne daß sein
Siegel erbrochen worden war, zurückgesandt. Dieser bestätigte
die Richtigkeit der Antwort.
Ein anderes Mal wurde Frau K. von einem Unbekannten ein
geschlossener Umschlag gegeben, der die Frage enthielt: „Wie
soll man Adolphs Kopfschmerzen behandeln?" — Als Antwort
schreibt sie: „Jod nehmen, das Blut ist unrein", und wiederholt
dann die Frage. Es handelte sich um einen kranken Offizier,
dem Jod sehr gut half. Noch ein sonderbares Experiment: M. G.
teilt mir telephonisch mit, daß er sich verheiraten will. Weder
ich noch Frau K. haben eine Vorstellung von seiner Braut oder
seiner geplanten Hochzeit. Nun schrieb ich, ohne Frau K. etwas
zu sagen, auf ein Blatt Papier: „Beschreiben Sie mir die Braut
^n G. und teilen Sie mir ihren Namen mit. Nach einigem Besinnen
schreibt sie: „Eine Brünette mit schwarzen Augen und
seitlich gescheitelten Haaren, Marie.44 Einen Moment spätei
ruft sie: „Jetzt verstehe ich. Herr G. will heiraten und Sie
fragen mich nach seiner Braut."
Frau K.s Antwort erwies sich als völlig zutreffend.
Außerdem ist Frau K. imstande, auf Entfernung wahrzunehmen
. Bei diesen Experimenten begaben wir uns in zwei
benachbarte Zimmer. Sie bezeichnete die von mir im benach
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