http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0163
162 Psychische Studien. L. Jahrgang. 4. Heft. (April 1923.)
logische Gesellschaft zu Berlin, Sektion Berlin der Oesellschaft für
Psychologische Forschung (von Deutschland oder Europa?) den Jesuitenpater
. Dr. Sünner
Merkwürdige Beobachtungen anläßlich eines Todesfalles«
Am 17. April 1922 um 8^ Uhr abends starb im Orte X in Mähren
der Bürger A. Z. Vor dem Tode ereigneten sich folgende merkwürdige
Vorfälle:
1. Der Sohn des Verstorbenen, August, wohnhaft im Orte Y in
Böhmen, trat Donnerstag, den 13. März, um Uhr — nichts von
der schweren Erkrankung seines Vaters ahnend — von einem Zimmer
seiner Parterrewohnung in das andere und bemerkte in diesem Augenblicke
zu seiner größten Ueberraschung seinen Vater, der an der
Häuserfront in der Richtung /um Hauseingang vorüberging. Der Sohn
blieb im Zimmer und erwartete mit Spannung das Eintreten seines
Vaters — doch vergebens.
Samstag, den 15. April, bekam August von daheim die telegraphische
Nachricht, daß sein* Vater im Sterben liege, er möge, wenn
er kann, sofort nach X kommen. — Nächsten Tag (16. April) 9 Uhr
früh saß der Sohn in seinem Zimmer und gedachte lebhaft seines
schwerkranken Vaters. In diesem Augenblicke löste sich bei herrschender
vollkommener Stille vom obersten Teil des Ofens eine Kachel
aus und fiel unbeschädigt auf den Boden.
Tags darauf (17. April) trat August um 1V2 Uhr nachmittags ins
Klosett, um dort die kleine Notdurft zu verrichten. Hierbei fiel unerklärlicherweise
etwas klingend in die Klosettschale. Nachdem er
Licht gemacht hatte, gewahrte er darin eine lÜ-Heller-Nickdmünze. Es
sei bemerkt, daß A. ohne Rock war und niemals sein Oeid in den
Hosentaschen verwahrte. Das Klosett hat gerade Wände und über der
Schale ist nichts, von wo diese Münze hätte herabfallen können.
Noch denselben Tag (17. April) fuhr August nach X. Dort am
18. April angekommen, wrar sein Vater bereits tot. — Er fragte, was sich
gestern um die kritische Zeit (IV2 Uhr nachmittags) in X ereignet hätte.
Seine Mutter teilte ihm mit, daß gerade zu dieser Zeit der Vater an
ihn gedacht habe und seine Anwesenheit schwer vermißte. Als der
schwerkranke Vater beruhigt wurde, daß sein Sohn August Urlaub
erhielt und morgen kommen würde, antwortete er: „Morgen — spät!"
Der zweite Sohn des Verstorbenen, Leo, wohnhaft ebenfalls im
Orte Y in Böhmen, träumte in der Nacht vom 14. auf den 15. April,
also drei Tage vor dem Tode seines Vaters, und ihm zeigte sich im
Traume seine Schwester, die damals beim schwerkranken Vater in X
weilte Sie war in einem Rosengewande, voll mit kleinen Röschen
bestreut, und schwang — auf einer Pavlatsche stehend — eine rote
Schärpe und rief: „Leo komme!"
Es sei auch hier bemerkt, daß auch Leo von der Erkrankung
seines Vaters keine Ahnung hatte.
3. Die Tochter des Verstorbenen, Helene, im Orte Z. wohnhaft,
hatte vor sieben Jahren nach dem Begräbnis ihres Schwagers im
Kasten einen schwarzen Schleier aufgehoben. Die ganze Zeit hatte
sie diesen Schleier rieht in der Hand gehabt. Beim Ordnen ihrer
Sachen im Kasten (14. April) kam ihr auch dieser Schleier in die
Hände. Sie übergab ihn ihrer anwesenden Schwiegermutter, die ihn
ohne jedwede Veranlassung zu bügeln anfing. Wie sie etwa die
Hälfte des Schleiers gebügelt hatte, überlief sie plötzlich ein Schauer
und sagte: „Es kommt mir, Helene, so vor, daß eine von (uns zwreien
den Schleier bald brauchen wird."
Nächster, Tag (15. April) erhielten sie ein Telegramm, daß der
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0163