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186 Psychische Studien. L. Jahrgang. 5. Heft (Mai 1923.)
Hannie keine Hand bewegte, und ich sie, während ich mit
ihr sprach, dauernd angeschaut hatte. Die Köchin war zur
selben Zeit nicht in der Küche. Ich sah auch bei folgenden
Gelegenheiten nie, in welcher Weise die Gegenstände abgeworfen
wurden, weil die Phänomene immer in unerwarteten
Augenblicken geschahen. Ich habe niemals den geheimnisvollen
Täter entdecken können, obgleich ich mich sehr an-
•strengte, und habe niemals meine beobachtende, kritische
Haltung geändert.
Übrigens hatte ich den Eindruck, daß eine höhere Intelligenz
beim Hervorbringen der Phänomene am Werk sei,
die die Macht hatte, mich zum Narren zu halten.
Ich nahm zunächst die eiserne Büchse und stellte sie
auf ihren gewöhnlichen Platz zurück. Ferner verlangte ich,
daß sie noch einmal geworfen werden solle. Hannie saß inzwischen
mit einer Handarbeit beschäftigt am Fenster. Ich
selbst stand in der zu Raum B führenden Tür, von wo aus
ich die Küche am besten übersehen und sowohl Hannie als
auch die Büchse gut beobachten konnte. Ich wartete fünf
Minuten — zehn Minuten — das Leben hat mich Geduld gelehrt
; und plötzlich ein leichtes „Bang" und die Scherben
einer Porzellautasse lagen auf dem Boden. Diese Tasse stand
auf Brett 2. Wer konnte sie geworfen haben? Hannie jedenfalls
nicht, denn sie saß vor meinen Augen ruhig am Fenster
in 2m Entfernung. Ich selbst? Ich muß diese paradoxe
Frage stellen, denn sonst war niemand in dem Raum. Es war
zwischen 5 und 6 Uhr nachmittags am 6. Mai und noch
keineswegs dunkel. So muß ich ein unsichtbares Drittes annehmen
. Die Scherben der zerstörten Porzellantasse kühlten
meine Sehnsucht nach weiteren Experimenten dieser Art
bedeutend ab, da die Küchenschränke voller Gläser und
Tassen standen. So sandte ich Hannie hinaus .und beugte
künftigen Schäden vor, indem ich alle zerbrechlichen Gegenstände
aus der Küche entfernte. Als ich zurück kam, ereignete
sich weiterhin nichts mehr.
Manifestationen in den Schlafzimmern
Die Mädchen hatten zwei benachbarte Mansarden inne
(siehe Plan). Unter dem Dach war ein Raum, in dem Schachteln
aufgehoben wurden, und darunter befand sich ein Korb
voll leerer Flaschen. Die Mädchen gingen wie gewöhnlich
um 9.30 Uhr zu Bett. Nach einer halben Stunde hörten
meine Frau und ich einen Schlag, dem ein klirrendes Geräusch
folgte. Mit den schlimmsten Vorahnungen ging ich
eilig hinauf, beleuchtete mit einer Kerze die Kammer und fand
den Boden mit den Scherben der zerbrochenen Flaschen bedeckt
. Es war kaum eine Minute nach dem Geräusch, als ich
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