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268 Psychische Studien. L. Jahrgang. 6. Heft. (Juni 1923.)
Ich glaube, daß heute solchen Gegnern nur geraten werden kann,
eine Deckung für ihre bisherige falsche Stellungnahme zu suchen. In
der Geschichte der fortschreitenden Wissenschaft sind ihre Namen eingemeißelt
. _
Aerztliche Gesellschaft für parapsychische Forschung
zu Berlin.
Sitzung vom 7. Maii 1923.
Herr Geheimrat Paasch: Ueber einen Fall von außerordentlichen
Wettergedächtnis. Demonstration des 46jährigen
Lizentiaten Dr. Sch., der dem Vortragenden von Kindheit an bekannt
ist. Dieser ist imstande, von jedem beliebigen Tage seines Lebens
seit seinem siebenten Lebensjahr mit größter Genauigkeit das Wetter
anzugeben. Es werden zunächst etwa 60 Versuche gemacht, und zwar
unter Leitung und Kontrolle des Herrn Professor Dr. Kühl vom Meteorologischen
Institut der Sternwarte in Potsdam. Dieser hat die wetterkundlichen
Berichte des Instituts zum Vergleich zur Hand. Sämtliche
Stichproben fallen mit größter Präzision richtig aus, bis zurück zum
Jahre 1882. Nur in einem einzigen Faile scheint eine Differenz zu bestehen
, insofern als der betr. Fragende einen Irrtum von Dr. Sch. behauptet
, der von Professor Kühl aiber zugunsten von Sch. gelöst wird,
während der Fragende sich um genau ein Jahr geirrt hat.
Bedeutsamer als die erstaunliche Leistung ist die Art ihres psychologischen
Zustandekommens. Diese wird, gemeinsam mit der V.-P. Herrn
Dr. Sch., durch die Herren Haas, Paasch, Gradenwitz, Kronfeld und
Kröner in sorgsamer Exploration und Aussprache zu klären gesucht,
mit etwa folgendem Ergebnis: Während Dr. Sch. sonst bedachtig und
zurückhaltend spricht, erfolgen die Fragebeantwortungen sehr rasch, un-
unterbreebbar, in einem bestimmten Rhythmus, mit gespanntem Gesichtsausdruck
und versonnenem, fast entrücktem Blick. Der Redende ist von
seinen Werten irgendwie überwältigt. Inhaltlich wird vorgebracht: das
kosmische Bild des gefragten Monats, die Stellung des Mondes und
wie er von V.-P. damals* gesehen wurd(e, das Kalenderdatum, welches
gefragt wurde — dann plötzlich der Wochentag des betreffenden Datums.
Und zwar ohne daß er berechnet wurde, einfallsmäßig und immer richtig.
Dann folgt das „Wetter" fast nach Art >einer lyrischen Schilderung?
wie die Sonne war, die Bewölkung, die Nacht, die Sterne; Temperatur
und Niederschläge, ob Gewitter usw., werben geschildert; sämtliche
Einzelheiten sehr eindringlich, nicht etwa nüchtern-wissenschaftlich,
sondern erlebnismäßig. Dr. Sch. kann über die Art wie die Repro«
duktionsleistung zustande kommt, und über die Reproduktionshilfen so
gut wie keine näheren Angaben machen; obwohl sein Bewußtseinszustand
während der Leistung sich für seine eigene Selbstbeobachtung
nicht merklich verändert, so ist er doch während der Leistung so innerlich
gespannt und erregt, daß' er zu einer Selbstschilderung ihres Zustandekommens
nicht recht fähig ist. Schon in frühester Jugend machten
einige Naturereignisse, ein schweres Nachtgewitter usw. einen sehr
tiefen Eindruck auf ihn. Im 10. Lebensjahr fühlte er sich beim Miterleben
eines Gewitters derart religiös erschüttert, daß! er beschloß, seine ganze
Kraft auf das Erleben' den Natur einzustellen, um auf diese Weise mit
Gott enger verbunden zu sein. Das Erleben des kosmischen Geschehens
in seiner ganzen Unmittelbarkeit ist ihm- seither der stärkste Ausdruck
seines eigenen Lebenszieles, eines nicht reflektierten, unmittelbaren intuitiven
Aufgehens in Gott. / Auch isein äußeres Leben hat er ganz danach
geformt, ist Theologe geworden, und Jebt auch gedanklich in steter
religiöser und metaphysischer Versenktheit. Diese religiöse Einstellung
auf das Erlebnis der kosmischen! Geschehnisse, ohne dieselben zu zergliedern
, iein als entrückt Anschauender, hat allmählich die Bewußt-
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