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Vom Büchertisch
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sdhaftlich Ungeschulten oder Naivmystischen. Die Beschäftigung mit
mehr oder weniger weit getriebenem Spiritismus, mit mediumistischen
Maßnahmen u. dgl. ist nicht nur inhaltsbestimmend (pathoplastisdh) für
die Geisteskrankheit, es kann auch direkt den Ausbruch verursachen,
pathogenetisch wirken. Die angeführten, ausgesprochen pathologischen
Fälle zeigen eine symptomatoiogische Identität mit der Mehrzahl
Schilderungen mehr einfacher, mediumistischer Trancezustände. Man
kann nicht umhin, diese symptomatoiogische Identität als ein Abspiegeln
derselben psychopathologischen, Mechanismen anzusehen. Der Bewußtseinszustand
der Medien ist charakterisiert 1. durch einen größeren
oder kleineren Grad von Geistesabwesenheit („Distraktion"), durch
Einschränkung des Bewußtseinsfeldes; 2. durch einen veränderten, automatischen
Vorstellungsablauf, in dem die fraglichen Vorstellungen mit
abnorm gesteigerter Intensität, bis zu halluzinatorischer Deutlichkeit,
hervortreten; 3. durch eine Vorliebe, in phantastischen Vorstellung's-
kombinationen hervorzutreten (subliminale Hyperphantasie); 4. durch
die ausgeprägte Tendenz der Vorstellungen, sich zu „exteriorisieren",
d. h. verbale, graphische, motorische, mimische Ausdrücke zu nehmen
(automatische Schrift usw.). Als eine unmittelbare Folge dieser Geistesabwesenheit
tritt ein bis zu gewissem Grade an die improduktive
Gedankenflucht erinnerndei Zustand ein, in dem jedoch eine katatone
Tendenz (mit verbalen Stereotypien, Perseveration, Neologismen usw.)
prävaliert. Wenn die Mitteilungen der Medien einen weniger wertlosen
Inhalt (einen „Pseudoinjialt") haben, so ist die Quelle dieses
Inhaltes einerseits in der Kryptomnesie, anderseits in der automatischen
(subliminalen) Hyperphantasie der Medien zu suchen. In den Händen
des Psychologen oder des Psychopathologen hat die „Erforschimg
des Unterbewußten4* ihre Berechtigung, obschon die Geheimnisse desselben
selten sehr interessant und wertvoll sind. Für ungelehrte
Leute mit derjenigen nervösen Gemütsart, die so oft in den Mystizismus
führt, enthalten die spiritistischen Maßnahmen immer eine große
Gefahr einer Zersplitterung des Seelenlebens, eines Gleitens in die
verkehrte Welt der Geisteskrankheit. W i g e r t (Stockholm).
Vom Büch er tisch.
(Sämtliche Werke zu Originalpreisen bei Oswald Mutze auf Lager).
The Goligber Cirele. May to August 1921. Experiences of E. C.
F o u r n i e r d'A 1 b e and Extracts from the correspondence of
the late W. J. Crawford and others. Six real Photographs.
Five half-tone Illustrations, London. John. M. Watkins. 1922. 81 S.
Nach dem Tode Crawfprds war von dessen literarischen Testamentsvollstrecker
Fournier d'Albe, einem Arzt, die Fortführung bzw. Nachprüfung
dei Untersuchungen Crawfords übertragen worden, der darauf
vom Mai bis August 1921 mit dem Medium Miß Goligher eine Reihe
von Sitzungen abhielt. Der Bericht, den er darüber erstattet hat, ist
das vorstehend angezeigte Buch, das, wohl zwecks Vermeidung von
Sensation, in einer auf 500 Exemplare beschränkten Auflage erschien.
Es ist gedruckt auf beneidenswert gutem Papier, und die eingehefteten
Photographien sind zum Teil, wie es scheint, Originalabzüge — ein
mustergültiges Illustrationsverfahren, das sich aber nur ein so reiches
Land wie England leisten kann und sich schon wiederholt geleistet hat.
Fournier d'Albe ging als überzeugter Anhänger Crawfords an seine
Aufgabe heran und hat die Arbeit mit der Ueberzeugung niedergelegt
, daß — alles Schwindel sei. Es handle sich um systematischen
Betrug, an dem nicht nur das Medium, sondern vor allem auch seine
Angehörigen beteiligt seien.
Die Gegner haben sich der Sache rasch bemächtigt. In der wissenschaftlichen
Hetze, die vor dem Ruhreinbruch in Paris gegen die Para-
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