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Vom Büchertisch
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der Ursache und durch Hypnose behoben werden können. Zu Dämonen
braucht man da seine Zuflucht nicht zu nehmen. Der S. 32 oben mit
„Entweder" eingeführte Einwand setzt voraus, daß Jesus eine schlechthin
richtige Auffassung von den Geisteskrankheiten seiner Zeitgenossen
hätte haben müssen, was offenbar falsch ist. S. 37 legt die Frage nahe,
wo im Räume die „jenseitigen" Sphären liegen? Die spiritistische
Rechtfertigung aller Jesuswunder, Prä- und Postexistenz seiner Person
(S. 52) map als Kuriosität gebucht werden. Die einzelnen evangelischen
Berichte über Besessenheitsheilungen wären genauer zu untersuchen gewesen
, a. o. Prof. Lic. Dr. Hans Rust, Königsberg (Pr.)i
'Geley, Dr. Gustave. De IMnconscient au Conscient 1919.
Paris. Felix Alcan. 346 S. Preis 17,5 Fr.
Dr. Gustave Geley, der ausgezeichnete Leiter des Instituts Meta-
ps\ chique sowie der „Revue Metapsychique", ist den Lesern der „Psych.
Stüd." kein Fremder; sind doch seine glänzenden Experimente mit EvaC,
Kluski und Ossowiecki in den „Psych. Stud." teils wörtlich wiedergegeben
, teils gründlich besprochen worden. Weniger bekannt ist, daß
Geley auch ein hervorragender Philosoph ist, dessen, neuerdings ins Englische
übersetzte Schrift: „Vom Unbewußtsein zum Bewußtsein" zweifellos
zu den wertvollsten philosophischen Werken der neuesten Zeit gehört.
Geley stellt sich darin die Aufgabe, zu beweisen, daß die bisher herrschende
mechanistische Naturauffassung zum Verständnis des Lebens
durchaus unzureichend und durch eine vitalistische Betrachtungsweise
zu ersetzen ist. Geley verfügt über eine gründliche Kenntnis der
modernen biologischen, phvsiologischen und psychologischen Forschungsresultate
. Natürlich benützt er auch die Ergebnisse seiner parapsychologischen
Experimente zur Stützung seiner Beweisführung, doch spielt
die Parapsychologie in Geleys Werk keineswegs die Hauptrolle; vielmehr
schlägt er die Anhänger der mechanistischen Naturauffassung vor allem
^if dem Gebiete der auch von ihnen anerkannten flormalen Natur-
tatsachen. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, von dem starken Band
hier ein erschöpfendes Bild zu geben, doch sollen die allgemeinen Umrisse
angedeutet werden.
Das Werk zerfällt in zwei Teile. Der erste bringt eine bewundernswerte
kritische Darstellung der bisherigen naturwissenschaftlichen und
philosophischen Theorien über die Entwicklung der Arten sowie die
physio*ogische und psychologische Individualität des Menschen. Der
zweite Teil enthält Geleys eigene Anschauungen. Geley betrachtet zuerst
die bisherigen Erklärungen der Entwicklung der Arten und zeigt, daß
die dabei meist als treibend angesehenen Faktoren nur eine sekundäre
Rolle spielen. Weder die Hypothese vom Ueberleben der für den Daseinskampf
Geeignetsten, noch diejenige von der Anpassung an das Milieu
können alles erklären. Die Annahme, daß zufällig an einem Organismus
aufgetretene kleine Aenderungen dem betreffenden Wesen einen Vorteil
verschafft und so sein und seiner ähnlich gearteten Nachkommen
Ueberleben gesichert hätten, ist haltlos. Gewiß stammj der Vogel von
den Reptilien abf aber eine zufällig aufgetretene Andeutung eines Flügels
gibt dem Reptil (nicht die Fähigkeit zum Fliegen, ja gewährt ihm
nicht den geringsten Vorteil im Lebenskampf. Und wie hätte der Vorfahre
des Vogels sich allmählich dem neuen Milieu anpassen können, das
erst sein Reich werden konnte, wenn er zum Vogel geworden war. Die
alten Theorien sagen, daß die Instinkte nur eine allmählich angenommene
Gewohnheit darstellen, die durch Vererbung langsam gesteigert weitergegeben
wurde. Aber manche Insekten vollbringen mit wunderbarer
Zielsicherheit einmalige Instinkthandlungen zu einer Zeit, da ihre Vorfahren
alle längst verschwunden sind. Der Instinkt kann daher nicht
durch Erziehung oder Beispiel übermittelt sein, er ist angeboren. Für
die alten Anschauungen bieten de Vries' Beobachtungen über Mutationen,
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