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290 Psychische Studien. L. Jahrgang. 6. Heft. (Juni 1923.)
Hypnose entdeckt, wobei sich zunächst die Fähigkeit der
somnambulen Selbstbeschau herausstellte), ja sie machte
im Anfang einen noch verblüffenderen, unverfälschten, intuitiven
Eindruck als in späterer Phase, wo die Befunde
schon mehr von des Gedankens Blässe angekränkelt, mit
kombinatorischen, oberbewußten Elementen durchsetzt sich
darstellten. Unentwickelt waren damals die Roatine und
die Diagnostizierfähigkeit im ärztlichen Sinne. Ferner unterschied
sich die ganze Art der medialen Perzeption in ihren
Anfängen grundlegend von der heutigen Methode.
Zuerst hatte die Versuchsperson bloß optische Halluzinationen
im inneren Vorstellungsraum und bei geschlossenen
Augen — Eindrücke, die das Krankheitsbild in primitiver
Weise symbolisierten — sie sah das Herz in Form eines
Kartenherzens, die Herzklappen als Türen, die Gefäße als
Röhren oder rote Reliefnetze, gesunde Nerven als rosa
entzündete oder gereizte als rote Linien, stark sensitive Nerven
von einer Art Protuberam umgeben, schwere organische
oder funktionelle Nervenleiden in Form zerrissener oder
verwirrter Telegraphenleitungen, das Blut zu dick, zu dünn,
klumpig, zu hell, zu dunkel, mit bläulichem oder gelblichem
Schimmer, Harnsäure als gelbe Kristalle, Phosphate als
weißes Mehl, Zucker in Form von Honig, die Blutkörperchen
hatten bei Skrofulöse einen Ausschlag, der verschiedene
Stadien der Eruption und Ausheilung aufwies, oder die
Skrofulöse saß, je nach ihrem Stadium, in den roten Blutkörperchen
, den Lymphkörperchen, in den Drüsen, im Blutserum
, im Zwischengewebe oder in den Organzellen. Abstrakte
Begriffe zeigten sich als mit weißer lateinischer
Schulschrift geschriebene Worte auf schwarzer Tafel. (Die
Handschrift war dem Medium fremd.) Auch helle und dunkle
Linien, sogenannte Leitlinien sah sie bei offenen oder geschlossenen
Augen am Patienten und orientierte sich an
ihnen. Manchmal tauchten überraschende Analogien auf,
um irgendeine Beziehung zu erhellen. Das ganze machte
den Eindruck, als ob ein Lehrer durch bildhaften Anschauungsunterricht
seinem Schüler etwas "klarmachen wolle.
Diese visuellen Eindrücke, die zunächst als Hellsehen
imponierten, traten mit der Zeit mehr und mehr zurück.
Schon bald fiel auf, daß das Medium subjektive Empfindungen
am Patienten mit einer Genauigkeit in bezug auf
Qualität, Ort und Intensität beschrieb, wie es nur jemand
zu tun vermag, der die betr. Wahrnehmung am eigenen
Körper macht. Auf diesbezügliche Fragen hin bestritt Frau
F. aber energisch, daß sie selber etwas fühle, sie „sehe4*
das alles. Man erlebt wohl selten einen si schönen Beweis
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