http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0319
318
Psychische Studien. L. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1923.)
im oberen Stockwerk wohnte, giab er die Beschreibung des Vaters
sowie von dessen Neigung zum Fluchen, wie sie tatsächlich bestand
. Dann gelingt ihm, durch genaue Beschreibung des bildhaft
Gc schauten, Diebstähle ausfindig zu machen. So hatte ein
Arbeiter drei Federn entwendet, was M. nicht wußte. Als er mit
ihm in Berührung kommt, sieht er geistig den Zeiger einer Uhr
auf lA2 stehen und fragt den Betreffenden, was er zu dieser Zeit
getan habe. Dieser erinnert sich, daß er auf einem Eisenbahnwagen
mit Entladen beschäftigt war, wobei er drei Spiralfedern
entwendet hätte. Nach drei Wochen trifft der Seher dessen Gattin
; sie bedankt sich bei ihm: ihr Mann, der nach Empfang seiner
Löhnung bisher immer von Freitag bis Montag von seinem Hause
entfernt gewesen war, hatte, durch die Angaben M.s bewogen,
von da an ein besseres Leben geführt.
M. ist verheiratet und von mittlerer, etwas eckiger Figur, erseheint
in seiner Ausdrucksweise gerade und einfach, ist aber,
wenn er Vertrauen faßt, freundlich und gewinnend im Umgang.
Einschlägige Schriften hat er wenig gelesen und dagegen eine
Abneigung, außer seinen Fachkenntnissen, geht seine Bildung
nicht über die der Volksschule »hinaus. Ueber seine Sehergabe
kann er außer den erwähnten Mitteilungen keine Angaben machen.
Da Herr M. die Freundlichkeit hatte, mir seine Zeugnisse zur
Durchsicht zu überlassen, ist es möglich, den Inhalt einer Reihe
von besonders wertvollen wiederzugeben, unter deren Urhebern
sich nicht nur Leute aus dem Volke, sondern auch akademisch
Gebildete, Fürstlichkeiten, Beihörden, Fabrikleitungen usw. befinden
, loh habe mich auf auszugsweise Wiedergabe und Abkürzung
der Namen beschränkt, wobei bemerkt sei, daß in manchen
Fällen noch eine Reihe anderer Personen für die Richtigkeit
des Mitgeteilten einstehen. Um eine Uebersicht zu ermöglichen,
sind die Berichte in 4 Gruppen eingeteilt: a) in Fälle, in denen
der Hellseher mit der betr. Person in Berührung kommt, die den
Verlust erlitten hat, so daß sie vielleicht im Unterbewußtsein
Kenntnis von dem Hergang erhielt; b) in Fälle von Diebstahl,
bei denen dieselbe Voraussetzung vorliegt (der betr. suchte M.
in seiner Wohnung auf); c) in Fälle, in denen der Scher den
Urheber des Diebstahls am Tatorte selbst ermittelte; d) in solche,
bei denen weder das eine oderr das andere der Fall war urM es
dcch gelang, den Täter aufzufinden.
Zu a liegt eine ganze Anzahl von Zeugnissen vor, von denen
einige mitgeteilt seien. Sehr merkwürdig ist in dieser Hinsicht
der Fall, der zur Feststellung eines Verlustes bei dem Goldschmied
W. in Z. führte. Im November 1921 war in dessen
Schreibstube ein Briefchen mit großen und kleinen Brillanten
verschwunden. Das Fräulein, das dafür v erantwortlicih war,
wendet sich nach vergeblichem Suchen an M., der ihr genau den
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0319