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344 Ps>chische Studien. L. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1923.)
Vom Büchertisch.
(Sämtliche Werke zu Originalpreisen bei Oswald Mutze auf Lager).
Zeller, Dr. Gustav, Hamburg. Okkultismus und deutsche
Wissenschaft seit Kant und Goethe. Verlag: Max Altmann
. Leipzig. 1922.
Ein sehr Zeitgemäldes kleines Büchlein, das als ein Weckruf an die
deutsche Gebildeten- und Gi leinten weit gedacht ist, die trotz immer
wiederholttr Hinweise seit Jahrzehnten die Tatsacnen des Okkultismus
ignoriert haben. Verfasser will ein kurzgedrängtes Bild vom neuesten
Stand des wissenschaftlichen Okkultismus geben, und er beklagt es
mit Recht, daß gerade hier die deutsche Wissenschaft am weitesten
zurücksteht. Verf. wendet sich tapfer gegen die so oft beklagte doktrinäre
Verbohrtheit und den Dünkel des Deutschen, der glaubt, Tatsachen
aus der Welt zu schaffen, indem er sich nicht darum kümmert,
aber Zeller muß doch auch zugeben, daß gerade in den Universitätskreisen
neuerdings ein Wajidel zu verzeichnen ist, der das lange Versäumte
nachzuholen scheint. Zeiler bringt nun Aeußerungen von Kant,
Goethe, Schopenhauer, um deren Stellungnahme zu dem Probiemgtbiet,
das wir heute mit Okkultismus bezeichnen, klarzulegen, und man vernimmt
da manch tröstliches Wort der Geistesheroenr Ausführlicher verweilt
er bei Zöllner, der „tragischen Gestalt unter den Vorkämpfern
des neueren Okkultismus41, dessen Wirksamkeit in die Hochblüte des
Materialifi>mus und Neukantianismus fiel, und der mit den für ihn eintretenden
Forschern Wilhelm Weber und Theodor Fechner so gehässig
bekämpft wurde, daß man es nur einem der dunkelsten Ketzerprozesse
des Mittelalters gleichstellen kann. In welch anderer Zeit leben immerhin
Driesch und Oesterreich, die eingehend an Hand ihrer Werke gewürdigt
und wegen ihres mutvollen Eintretens verdientermaßen gefeiert
werden. Daß auch Schrenck-Notzing und Tischner nicht vergessen
werden, \ ersteht sich von selbst. „Statt Inquisition und Scheiterhaufen
sachliche Prüfung, ernsthaftes In-Erwägung-Ziehen, ein Riesenfortschritt,
wenn auch erst ein Anfang. Man sieht, die Zeit des materialistischen
Papsttums ist vorüber!" — Eine lesenswerte kleine Arbeit! Sünner.
Der Tod des Materialismus und der T h e o s o p h i e. Die
Religion der Tatsachen. Gemeinverständlich dargestellt \on
Concordia, Deutsche Verlagsanstalt, Berlin. 1922. 80 Seiten.
Die Schrift ist wesentlich besser als der etwas marktschreierische
Titel Ausgehend von Kant und Hartmann legt sie dar, daß die Religion
es nicht mit Weltanschauung und Erklärung der Erscheinungsweit zu tun
hat. Weitet geht der Autor auf die Phänomene der Religion ein: Das
Phänomen der Transcendenz, daß man sich einer Macht gegenübergestellt
sieht das Phänomen der Gnade (im Sinne Eduard v. Hartmanns)
und das moralische Phänomen, daß es außer dem natürlichen Wollen des
Menschen noch ein verpflichtendes Sollen gibt, das sich vielfach auch
gegenüber dem Wollen durchsetzt. — Zu der Erklärung übergehend verficht
der Autor in geschickter und überzeugender Weise die These, daß an
Stelle einer Zweiteilung eine Dreiteilung des menschlichen Wesens
treten müsse, die von Körper, Leben und Geist, nur so würde man den
religiösen Phänomenen gerecht werden. Das Uebrige hier zu erörtern,
würde zu weit führen, ich muß in der Beziehung auf die sehr lesenswerte
Schrift \ erweisen. Nur sei noch gesagt, daß der Autor auch auf die
Mystik und den Okkultismus in ihren Beziehungen zur Religion eingeht.
— Alles in allem scheint mir hier ein sehr beachtenswerter Versuch
\orzuliegen, aus der Phänomenologie der Religion heraus im Verein
mit dem Wesen des Biologischen zu einer das moderne Denken
befriedigenden Lösung des religiösen Problems zu gelangen.
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