http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0398
Kröner. lieber medizinisches Fernfühlen
397
Folgendes war der Befund: Frau von 30 Jahren. Vor
einem Jahr durch kriminelle Frühgeburt infiziert, erkrankte an rechtsseitigem
Beckenabszeß und Bauchfellentzündung. Dreimalige Operation,
wobei ein großer Abszeß entleert und ca. 1 Meter Darm entfernt wurde.
Anlegung einer Kotfistel, die spontan verheilte. Fistelnde Operationsnarbe
die 12 cm tief zu den linksseitigen Adnexen hinführt und käsige
Bröckel entleert (wahrscheinlich tuberkulös). Vor einigen Tagen erkrankte
Patientin an grippeartigen Erscheinungen mit starkem Husten
und Atemnot. Seit einigen Wochen starkes nervöses Erbrechen
, Diarrhoe. Ich konstatierte eine offene Tuberkulose des
linken oberen Lungenlappens, von der bisher niemand eine Kenntnis
hatte. Die Wassermannsche Reaktion war negativ, im Stuhl keine
Tuberkelbazillen.
Wir finden also folgende Symptome und Lokalisationen richtig angegeben
: 1. Offene Wunde, 2. „Baucheingeweide und Unterleibsorgane
durcheinandergeraten", 3. die Lunge: Angst und Atemnot, 4. eine nervöse
Störung der Baucheingeweide.
Da außerdem nichts Falsches bei diesem immerhin ungewöhnlichen
und komplizierten Krankheitsfall angegeben ist, auch nichts Wesentliches
fehlt, muß diese Diagnose als glänzende Leistung gewertet werden. Die
Konstatierung der Lungenerkrankung schließt hier den Gedanken an
Telepathie zwischen Medium und Krankenschwester aus. Die Beziehung
zur Patientin scheint eine direkte, auf Organgefühl beruhende
zu sein.
Modifikation f.
Wedei der Patient noch irgendein Bekannter des Patienten ist einem
der Anwesenden bekannt.
Diese Fälle sind naturgemäß selten, da sie nicht arrangierbar sind,
sondern einem nur zufällig in den Weg laufen. Sie sind allerdings besonders
wertvoll, weil sie Telepathie am sichersten ausschließen unjd
als Spitzenleistungen zu werten sind. Da sich unter den jüngst veranstalteten
Kontrollversuchen drei Fälle befinden, die in der Anordnung»
sogar noch über diese Modifikation hinausgehen, beschränke ich mich
auf zwei Beispiele.
16. Versuch, August 1920.
Auch dieser Fall muß nach der Erinnerung wiedergegeben werden,
da sich die Diagnose wiederum unterwegs abspielte. Der Grund, weshalb
sich solche Versuche leider nicht systematisch und in größerer
Anzahl anstellen lassen, liegt in der Aversion der Versuchsperson gegen
derartige „Kunststücke". Sie würden, wenn man Frau F. dazu brächte,
sich derartigen Bedingungen zu unterwerfen, wahrscheinlich nicht gelingen
oder zumindest sehr angreifen. Und da Mißerfolge sie sehr schnell
entmutigen und ihr sowohl gesundheitlich wie bezüglich ihrer Begabung
außerordentlich schaden, muß man im allgemeinen auf diese Experimente
verzichten und abwarten, bis Laune und Zufall zusammentreffen, um ein
derartiges Phänomen zu erzeugen.
Ich wurde telephonisch zu einer mir gänzlich unbekannten Familie
in Halensee gerufen. Der Sohn der Patientin teilte mir mit, daß seine
Mutter seit 28 Jahren herzleidend sei. Frau F. und ich fuhren auf dem
Vorderperron einer Elektrischen den Kurfürstendamm hinunter. Frau F.
hatte ich nichts von dem angeblichen Herzleiden gesagt.
Ich: Was mag der Patientin fehlen? Es handelt sich um eine alte
Dame.
Frau F. (ohne sich zu besinnen): Ich sehe die Leber. Die ist so
ganz mächtig dick und geschwollen, so höckrig. Und dann ganz merkwürdig
gelb- wissen Sie, wie sie aussieht, so galatinös, so wie gelber,
ranziger Speck.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0398