http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0403
402 Psychische Studien. L. Jahrgang. 9. Heft. (September 1923.)
lauterem GharaMer. Seinem Unterhalt verdient er als „magnetischer
Heiler". Darum ließ man ihn zunächst an den Patienten
eines von Dr. Happich geleiteten Krankenhauses Diagnosen ^
stellen. Er tat das, indem er 15 bis 40 Sekunden lang mit geschlossenen
Augen die Hände des Patienten in die seinen nahm,
dann „in augenscheinlich aufgeregter Weise in sich heram-
zusuchen schien, indem er dabei mit seinten beiden Händen
seinen Körper schnell abtastete. Nach etwa 1 Minute dieses In-
sichherumsuchens sagte er mir dann seinen Befund". Dr.
Happich konstatiert, daß „einige Züge zweifellos überraschend
richtig gesehen sind, während andere Behauptungen gänzlich
daneben gehen." Richtig sei meist gewesen, was er dunkel gefühlsmäßig
an »einem eigenen Körper gespürt hatte. Wenn er
aber auf Grund von erlernten Kenntnissen konstruktiv ein Gesamtbild
deT Krankheit in wissenschaftlicher Terminologie geben
wollte, dann sei er gewöhnlich vom richtigen Wege abgeglitten.
Diese medizinischem Aussagen bildeten des Mediums eigentliche
Spezialität. Das übrige, was man in Darmstadt mit ihm
vornahm, war ihm selbst großenteils völlig neu. Man ließ ihn
(teils im Wachzustand, teils in Auto-Hypnose) durch verschlossene
Kästchen sehen, die Aura der Experimentatoren beschreiben
, während seelische Veränderungen in ihnen vorgingen,
Angaben über Herkunft und Eigentümer von Gegenständen
machen. Als man ihm im Trance echte indische oder afrikanische
Götterbilder in die Hand gibt, entwirft er teilweise überaus
charakteristische Schilderungen von exotischen Gebäuden und
Menscher^. Dann aber kommt plötzlich das ernüchternde Geständnis
: Ich bin im Kino. Ob denn außer Kinoreminiszenzen
noch okkulte Kräfte an seinen Erzählungen mitgewirkt haben,
ist schwierig zu entscheiden. Während er — ebenfalls im Trance
— eine Vase betastot, die einer stark gichtkranken Dame gehörte
, nimmt sein Körper die verkrampfte Stellung der betreffenden
an. Im Wachzustand wird er in ein Zimmer geführt, welches
längere Zeit ein anderes Medium bewohnt hatte. Dieses gehörte
, wie Happich sagt, nicht dem „männlichen, aktiven, übersprudelnden
, überflutenden, hypnotisierenden" Typus an wie H. B„
sondern war weiblich, rezeptiv, „sich vampyrhaft von den Seelen
anderer nährend." H. B. kommt höchst angegriffen heraus und
behauptet, es sei ein völlig „ausgelebtes Zimmer", er habe ein
scheußliches Gefühl, als ob man ihn aussauge, er friere und fühle
sich jämmerlich. Bei diesem wie bei dem letzten Versuch muß
natürlich die Frage offen bleiben, ob wirklich der Gegenstand
(die Vase, das Zimmer) den Hellseher direkt beeinflußt oder ob
die Kenntnis des Arztes sich auf ihn übertragen hat. Das ist ja
das alte und unvermeidliche Elend bei der Kritik aller psychometrischen
Versuche, soweit sie überhaupt kontrollierbar sind.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0403