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Kindborg: Das Wesen der Telepathie.
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Zukunft noch so viele Menschen Okkultisten werden, solange sie
nicht zur Idee der Mitverantwortlichkeit gelangen und tätig dem
Heile dienen, sind sie ethisch nicht höher zu bewierten als ein normaler
Mensch, der auch nur gefühlsmäßig der Welt gegenübersteht
.
Vielleicht ist der geborene Okkultist in bezug auf die Forderung
, das eigene und fremde Heil zu verwirklichen, besser
daran. Da es ja nach Graf Keyserling (vgl. den erwähnten Aufsatz
) die verschiedensten Stufen des Vollendetseins gibt, so gibt
es auch einen in sich vollendeten Okkultisten.
Wenn dieser sieh- bemüht, seine ihm von der Natur verliehenen
Anlagen gewissenhaft, d. h. im Bewußtsein ihres Wertes, frei von
Trug und Lüge, und zum Wohle der Mitmenschen, d. h. ihn^n
Fingierzeige für ihre — ihrer eigenen Vervollkommnung dienende
— Lebensführung gebend, verwendet, dann kommt er seiner
Selbstvollendung nahe und ist, im Dienste des Heiles der Gesamtheit
stehend, auf dem Wege, eine Person im Sinne des ethischen
Ideals zu werden. Die andern, die gewöhnlichen Menschen,
werden dann vor den Okkultisten wie einem Vorbild Achtung
oder gar Ehrfurcht empfinden. Denn so wie er sollen ja auch sie
sich bemühen, ihr Wesen seinem „Sinn" entsprechend zu gestalten
. Daß die Methoden zur Erlangung okkulter Fähigkeiten
auch dazu verwendet werden könnenden „Sinn" richtig zu er-
kennen, ist an anderen Stellen ausgeführt worden (vgl. den oben
genannten Aufsatz). *
Hiermit sind wir am Ende unserer Erörterung angekommen.
Die Ergebnissie unserer Untersuchungen enthalten die Antworten
auf die in der Einleitung aufgeworfenen Fragen. Und wenn diese
Zeilen ein auch nur einigermaßen klärendes Licht auf das Verhältnis
zwischen Okkultismus und Wertethik geworfen haben,
dann ist ihr Zweck erfüllt.
Das Wesen der Telepathie.
Von Dr, E. K i n d b o r g, Facharzt für innere und Nervenkrankheiten
in Breslau.
Langsam beginnt sich die Telepathie in der wissenschaftlichen
Welt Anerkennung zu verschaffen. Immer mehr Forscher verzichten
darauf, sie nur aus dem Grunde abzulehnen, weil sie sich
in das bisherige Bild der Physiologie nicht ohne weiteres einfügen
wollte, und weil mit ihrer Darstellung bisweilen Irrtum und
Schwindel verbunden war. Wie man sieht, ist es ganz der gleiche
Entwicklungsgang, den vor nicht allzu langer Zeit der Hypnotis-
imus durchlaufen hat. Der Ausgang wird fraglos bei der Telepathie
derselbe sein, und in wenigen Jahren werden ihre Tatsächlichkeit
die Spatzen von den Dächern pfeifen. Den Hypno-
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