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428 Psychische Studien. L. Jahrgang. 9. Heft. (September 1923.)
auf eine gewisse „Harmonie" der Zirkelteilnehmer Wert legen.
Diese Harmonie ist weiter nichts, als das Bestreben, sich gemein-
sam mit den anderen telepathisch einzustellen. Wie weit diese
gemeinsame telepathische Einstellung geht, dafür ein Beispiel. Ich
sitze mit sechs anderen Teilnehmern zu Experimentalzweeken um
einen kleinen Tisch. Von spiritistischer Einstellung ist keine Rede.
Als wir zunächst kein rechtes Ergebnis hatten, wurde der „Tischgefragt
, ob wir uns anders setzen sollten. Die Frage wurde bejahb
und dann durch Abklopfen von 1 bis 7 (jeder von uns hatte seine
Nummer) die neue Reihenfolge bestimmt. Dies vollzog sich ganz
glatt hintereinander. Als «darauf der Platzwechsel vorgenommen
worden war, sagte auf auf einmal einer der Teilnehmer: ;,Wir
sitzen ja in derselben Reihenfolge, wie vorher, nur um zwei
Plätze gerückt." Wie ging das zu? Wir hatten uns nicht verabredet
, und doch gemeinsam, ohne es zu merken, denselben
Plan ausgeführt. Bei einer anderen Gelegenheit wurden wir
ohne bestimmte Reihenfolge umgruppiert. Man vergegenwärtige
sich aber einmal, welche Aufmerksamkeit und welches Hin- und
Herreden dazu gehört, sieben Personen durch Abzählen ihrer
Nummer die Plätze wechseln zu lassen, ohne daß einer aus«
gelassen oder doppelt gezählt wird; und gar bei einer Inne-
haltung derselben Reihenfolge. Und hier hatte sich alles ohne
ein Wort der Verabredung, ohne jede Gedankenanstrengung,
wie selbstverständlich vollzogen. Eine andere Erklärung als
die der gemeinsamen telepathischen Einstellung bleibt gar nicht
übrig. Man begreift dann aber auch, wie störend ein Sitzungsteilnehmer
mit unharmonischer Einstellung wirken kann. Wie
gar der Gedanke, eine Störung absichtlich herbeizuführen, sich
den anderen mitteilen und* dadurch Verwirrung anstiften kann.
Man muß also zugeben, und das hat sich ja auch bei den anderen
Erscheinungen bis jetzt gezeigt, daß die Spiritisten ganz richtig
beobachtet haben. Nur über Deutung der Erscheinungen kann
man noch verschiedener Meinung sein.
Man kann nach meinen Erfahrungen dieses telepathische Zu-
samimenwirken auch für Experimentalzwecke ausnützen, indem
eine ganze Anzahl von Personen sich auf eine Aufgabe konzentriert
. Am besten scheint das mit optischen Bildern zu gehen;
nicht so gut mit Bewegungsaufträgen, weil da sich vielleicht die
Beeinflussung nicht immer so ganz gleichsinnig vollzieht. Bei
optischen Gedankensuggestionen kann man zum Beispiel so verfahren
, daß man die hypnotisierte Versuchsperson durch eine
gedachte Tür in: einer gedachten Wand gehen läßt oder bei
einer größeren Anzahl freier Sessel alle bis auf einen als besetzt
suggeriert, worauf das Medium dann auf dem als frei gedachten
Sessel Platz nimmt. Diese Experimente gelingen auch
bei genauer Eontrolle, die anderweitige Beeinflussimg ausschließt
.
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