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430 Psychische Studien. L. Jahrgang. 9. Heft. (September 1923.)
es gibt immerihin manche Beobachtungen, die es nicht als ausgeschlossen
erscheinen lassen —, so entstammt die Wahrnehmung
natürlich auch in diesem Falle nicht den Karten,
sondern uem Unterbewußtsein der Personen selbst, wie dies
auch der vorhin genannte Beobachter annimmt. Denn die persönliche
Anwesenheit des Konsultierenden ist doch in allen
Fällen notwendig, undl der Zusammenhang könnte dann nur
der sein, daß die seine Seele erfühlende Person dort Dinge herausliest
, die das eigene Oberbewußtsein der Person selbst nicht zu
erfassen vermag. Ich behalte mir vor, in einem besonderen Aufsatze
auf diese Dinge zurückzukommen.
Die geschilderte gemeinsame telepathische Einstellung einer
Personengruppe erinnert an die von Steiner angeblich entdeckte
„Gruppenseele" (Die Geheimwissenschaften im Umriß, Leipzig,
1921, Seite 53). Ich halte diese „Entdeckung" für einen Abweg
und entsprechend auch den Aufsatz von August Sethe im
Zentralblatt für Okkultismus, Mjai 1922, der auf Grund von Beobachtungen
A. F. Knudsens an Pferden( mitgeteilt dm „Theosophist
" 1920) sich dieser Anschauung anschließt. Ich kann mir
nicht vorstellen, wie und weshalb aus einem größeren Bestände
immer gerade niur eine Gruppe von 2 bis 20 Tieren durch eine
„Gruppenseele" verbunden sein sollte. Viel näher hegt es mir,
nach Analogie der geschilderten Versuche an Gruppen telepathisch
aufeinander eingestellter Individuen zu denken. Uid
damit komme ich zu der Telepathie beim Tier. Daß ich die be*
kannten Versuche von Krall und von Osten an Pferden, von Fr m
Moeckel am Hund, und ähnliche, für das Ergebnis telepathisch :r
Übertragung halte, habe ich in meinen früheren Schriften schon
ausgeführt. Die Tatsache, daß eine Reihe von Beurteilern unabhängig
voneinander zu diesem Schlüsse gekommen sind — es
waren außer mir und, wie ich zugeben muß, vor mir, Jos. Böhm
in Nürnberg, Günther in Freiburg, Harter (vergl. „Psych. Stud."
1921, Heft 11, Seite 625) und ein Wiener Forscher, ich weiß nicht,
war es von Czernin oder ein anderer —, spricht schon allein für
die wahrscheinliche Richtigkeit. Näher kaim ich in diesem Zusammenhang
nicht darauf eingehen. Ich verweise nur darauf,
daß die von der bekannten Berliner Kommission, zu der auch
Albert Moll gehörte, abgegebene Erklärung durch unbewußte
Zeichengebung (ganz wie bei der menschlichen Telepathie!)
zweifellos falsch ist. Erstens ist sie theoretisch falsch, weil sie
im Widerspruch mit jeder Erfahrung der Pferdedressur steht
(vergl. meine bei Bergmann erschienene Schrift *), und zweitens
hat sie Herr Krall praktisch auch durch seine späteren Versuche
*) Die feinen Zeichen, sog. Hilfen, auf die Pferde reagieren, sind immer
aus anfänglich gröberen entwickelt; außerdem beachtet das Pferd erfahrungsgemäß
nicht das Gesicht seines Herrn, so wie es der Hund tut
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