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500 Psychische Studien. L. Jahrgang. 11. Heft. (November 1923.)
lebhaftem Beifall begrüßt wurde. (Ausführlicher Berieht wird
demnächst publiziert.)
Der hierauf von dem Berliner Ingenieur Fritz Grunewald
gehaltene Vortrag lautete: „Die Materialisation der mediumisti-
schen Energie unter dem Einflüsse des bewußten Willens" und
betraf die Imprägnierung eines Zuckerstückes durch mediumi-
stische Beeinflussung. Die Versuchsperson hält den Zucker
einige Zeit in der geschlossenen Hand. Sobald derselbe nun,
ins Wasser geworfen, sdch auflöst, bleibt eine schwammige Form
in der Größe des Zuckers zurück. — Die zweite am Nachmittag des
1. September von demselben Vortragenden gemachte Mitteilung
betrifft „Telekinetische Einwirkungen auf eine in einem Glaskasten
eingeschlossene Wage". Herr Carl Vett (Kopenhagen)
vertrat in seinen hierauf folgenden Ausführungen über „Wege
und Methoden der psychischen Forschung" den Standpunkt, daß
der Mediumismus eine atavistische Erscheinung sei, da es sich
hierbei höchstens um automatische, niemals um wirkliche Äußerungen
aus dem Seelenleben Verstorbener, vielleicht sogar um
den Einfluß diabolischer Mächte handle. Wolle man zu einem
Verständnis der supranormalen Phänomene kommen, so müsse
man nicht eine Verengung oder Verdunklung des Wachbewußt*
seins, sondern vielmehr nach urindischer Auffassung eine Steigerung
desselben (also eine höhere Bewußtseinsebene) anstreben
Den Schluß des deutschen Tages bildete die Verlesung eines
eingesendeten Vortrages von Prof. Dr. Konstantin Oesterreich
üben „Die philosophische Bedeutung mediumistischer
Phänomene". Der Kongreß beschloß, die mit großem Beifall
aufgenommenen Ausführungen des Tübinger Gelehrten, welcher
in streng objektiver Prüfung aller in Betracht kommender Theorien
selbst der spiritistischen Auffassung Gerechtigkeit widerfahren
läßt, sofort in 100 Exemplaren für den Kongreß verviel*
fäJtigen zu lassen.
Der polnische Tag (2. September) wurde durch Ingenieur
Lebiedzinski (Warschau) eingeleitet mit Auslassungen über
„Die Ideoplastie als wichtigste Hypothese für das Studium der
metapsychischem Phänomene". Der in der praktischen Erfahrung
mit Medien aller Art wohl am meisten bewanderte Redner
hat bei seinen zahlreichen Versuchen niemals einen Identitätsbeweis
Verstorbener mit den Phantomen oder sogen, medialen
Personifikationen erhalten, sondern vertritt den Standpunkt, „daß
die Variabilität und Art der von Medien erzeugten Bildungen
lediglich ein Produkt derjenigen Anschauungen, Hypothesen und
Theorien sind, welche in jedem einzelnen Falle das Medium oder
den Zirkel beherrschen." Somit passen sich die medialen Leistungen
den wahren oder falschen Auffassungen der Experimentatoren
und Medien .völlig an. Wahrscheinlich ist die Ideoplastie
imstande, alles im Materialisationsprozeß zu reproduzieren, was
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