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v. Schrenck-Notzing: Der 2. internat. Kongreß für psych. Forschung. 501
durch die menschliche Einbildungskraft erschaffen werden kann.
Niemals kann man durch die sogen. „Geister" irgendeine Aufklärung
in wissenschaftlichen Fragen bekommen.
„Das Studium 'der psychischen Phänomene des Mediumismus"
lautete das Vortragsthema von Prosper de Smurlo (Warschau
). Er empfiehlt! das hypnotische und psychoanalytische
Verfahren zur Erziehung der Medien bis zur Stufe des Hellsehens.
Herr G rudzinsky-Gralskji (Krakau) beschäftigte sich
in seinem Rapport über „ Metagraphologie" mit (der automatischen
Schrift, die nicht auf die Existenz von Geisterwesen zurückzuführen
ist, er untersucht die verschiedenen Methoden der
wissenschaftlichen Graphologie und kommt zu dem Schluß, daß
z. B. die Experimente des Wiener Hellsehers Sciherman
(Psychoskopie) sich nicht durch die bekannten Methoden erklären
lassen, sondern wie bei Ossowiecki auf besonderer divinato*
rischer Begabung beruhen.
Die vorstehende Zusammenstellung der hauptsächlichsten Kongreßvorträge
— uolter denen sich keine einzige Arbeit mit spiritistischer
oder abergläubischer Tendenz mehr vorfindet, das Entgegenkommen
offizieller Vertreter der polnischen Regierung und
Wissenschaft, welche sowohl Säle in der ersten Lehranstalt des
Staates zur Verfügung stellten und es sich nicht nehmen ließen,
die ausländischen Gäste persönlich zu begrüßen, zeigen deutlich,
daß die Parapsyohologie immer mehr ernste Beachtung findet und
allmählich zu einem neuen anerkannten Wissenszweig heranwächst
. Vielleicht noch wichtiger, als Vorträge und Diskussionen,
sind die bei einer solchen Gelegenheit angeknüpften persönlichen
Beziehungen sowie die praktische Arbeit hinter den Kulissen!
Es standen nämlich den Teilnehmern nicht weniger als 4 Materia-
lisationsttnedien und 2 Hellseher während der Kongreßwoohe zur
Verfügung, so daß reichliche Gelegenheit zur Sammlung persönlicher
Erfahrung geboten war. Das bekannte professionelle
iMedium Guzik hielt täglich für Kongressisten Sitzungen ab, an
denen regelmäßig 6 bis 8 Personen teilnahmen.
Ueber jedes Lob erhaben und unvergeßlich ist die uns gebotene
polnische Gastfreundschaft. Im krassen Unterschied von der
barschen, unfreundlichen und militaristischen Art, imit der die
deutsehen Zollbeamten an der Grenze ihres Amtes walteten —
wurden die Reisenden auf der polnischen Seite beim Vorzeigen
ihrer Kongreßeintrittskarten ohne Durchstöberung ihres geringen
Handgepäcks »auf das höflichste empfangen und ohne die geringste
Belästigung sofort mit ihren Pässen abgefertigt. Auf dem
"Bahnhof in Warschau hatte man ein kleines Büro errichtet, in
welchem jeder Ankommende sein Quartier angewiesen erhielt.
20 Freizimmer standen für Gelehrte aus valutaarmen
Ländern zur Verfügung. Auch die Kongreßkarten wurden für
diese zu einem wesentlich ermäßigten Preise abgegeben.
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