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526 Psychische Studien. L. Jahrgang. 11. Heft. (November 1923.)
Analyse. Fall 1.
Demonstrationsversuch nach Gruppe a des Versuchsschemas unter
den normalen Bedingungen einer sog. Sprechstundendiagnose. Man
•erkennt den leichteren Ablauf unter der Leitung des mit der Versuchsperson
«eingearbeiteten Experimentators. Das subjektive Bild wird in
bezug auf Lokalisation als auch auf die Qualität der Symptome prägnant
erfaßt. Die Angaben über den objektiven Befund sind ebenso unbestimmt
und divergierend, wie der Fall sich diagnostisch darstellt. Für
das Beweisthema selber ist dieser Teil der Diagnosenstellung ohne
Belang (vgl. das in der Einleitung Gesagte).
Fall 2.
Diese telepathischen Diagnosen machen dem Mtdium große Mühe,
da die vom Experimentator bildlich-begrifflich vorgenommene Ueber-
tragung erst unterbewußt aufgefangen und verarbeitet, dann ins Organ-
bewußtsein projiziert und aus diesem wiederum durch somnambule
Selbstbeschau herausgelesen und endlich oberbewußt zur Diagnose verarbeitet
werden muß. (Anders kann man sich jedenfalls theoretisch
diesen Vorgang nicht gut erklären!) Betrachtet man die Kompliziertheit
dieses Ablaufs im Vergleich zu den eigentlichen telepathischen und
Hellsehversuchen, wie sie beispielsweise Tischner und Wasielewrski angestellt
haben — bei denen meist visuell übertragen wird — so wundert
man sich, daß trotzdem ein positives Resultat zustande kommt. An und
für sich jedoch sind diese Versuche eine Tierquälerei.
Das erste, was die Versuchsperson auffängt, ist visuell bedingt.
Sie sieht einen Rumpf. (Tatsächlich handelt es sich um ein Rumpfbild.)
Das Fehlen der Beine auf dem Bild setzt sie dann um in das Gefühl
von etwas Geschnittenem, Operiertem in der Leistengegend, das sie
später dann noch in einen Entzündungsprozeß, eine Drüsenerkrankung
(wahrscheinlich eine Ideenverbindung zwischen Leistenbeuge und Leistendrüsen
) umdeutet. Die Schwellungs-, Spannungs- und Schmerzempfindungen
, die sich weiterhin in der Leisten- und Achselgegend dokumentieren
, beziehen sich vielleicht auf die Oedembildung. Ferner bezeichnet
die Versuchsperson — wie die Protokollanten, denen ja ein Befund
unbekannt war, notierten — die Gegend des linken Brustmuskels (also
die Herzgegend), ohne auf das Organ selber zu kommen. Dieses
Lokalisationsgefühl dürfte durch die auf dem Bilde dargestellte Handhaltung
ausgelöst sein, ebenso wie das Schmerzgefühl in der Achselfalte
, (also auch wieder die sensible Umdeutung eines unterbewußt aufgefangenen
visuellen Eindrucks). Erst die Suggestivfrage, ob ein bestimmtes
Organ bezeichnet werden könne, löst endlich die richtige
Antwort aus. Einfache Suggestivbeeinflussung reicht m. E. hierbei zur
Erklärung nicht aus, eher glaube ich, daßf im Augenblick der Fragestellung
eine Begriffstelepathie stattgefunden hat. Dieser Versuch, der
technisch wenig schön und überzeugend ausgefallen ist, ist jedenfalls
für die Theorie der bei Frau F. waltenden medianimen Mechanismen
sehr interessant
Fall 3.
Das Erforderliche zu diesem Fall ist von mir zu Protokoll gegeben
worden. ^Von Interesse ist er nur für die Frage der Methodik. Unter
besser eingespielter Versuchsleitung hätte auch dieser Versuch überzeugender
ausfallen können.
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