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546 Psychische Studien. L. Jahrgang. 12. Heft. (Dezember 1923.)
den Zufall appelliert! Wesentlich von Bappert abhängig
zeigt sich Jesxiitenpater Beßmer in seiner Abhandlung über
den modernen Okkultismus in den „Stimmen der Zeit"
(Februar- und Märzheft 1922), wobei er gleich seinem Kronzeugen
Bappert dieselbe Vieldeutigkeitdes Begriffs
„Okku 11ismus" übernimmt, also in ganz unlogischer
Weise Parapsychologie, Spiritismus, Theosophie zusammenwirft
. Er sieht freilich ein, daß der „wissenschaftliche Okul-
tismus" sich wesentlich vom Spiritismus und der Theosophie
usw. unterscheide, aber, indem er nun einmal Wissenschaft
und Aberglaube unter einen Begriff gebracht hat,,
'muß sich Haltbares und Tatsächliches mit Unhaltbarem
und Phantastischem zusammenwerfen lassen. Okkulte Kräfte
der menschlichen Seele nimmt er nicht an, aber das zeitliche
Hellsehen gibt er, hierin über Bappert hinausgehend,
zu. Man weiß freilich nicht recht, ob dann nach ihm dieses
zeitliche Hellsehen durch Engel oder Dämonen bewirkt werden solL
Von einer supernaturalistischen Deutung sollte ihn schon
die Erwägung abhalten, daß ja das »zeitliche Hellsehen
eine vielfach erbliche Gabe ist, von physischen Bedingungen
abhängig, also kann es sich da nicht um Charismen und
Wunder handeln, sondern nur um natürliche Veranlagung.
Dies hat schon Papst Gregor der Große erkannt (vgl. meine
Schrift „Die Geschichte der. okkultistischen Forschung",
Seite 27—28). Beßmer gibt selbst zu, daß seine Arbeit
die Tendenz verfolgt, nur die Schattenseiten des wissen-
scliaftlichen Okkultismus hervorzuheben. Wohl aus diesem
Grunde gab er seinen Lesern nur Kunde von der berüchtigten
Kasseler Tagung, die ein Hohn auf den Wissenschaft-
liehen Okkultismus war, verschwieg aber den internationalen
Kongreß okkultistischer Forscher in Kopenhagen. Ganz ver-
fehlt war die Schlußbehauptung Beßmers, daß, wer dem
Okkultismus sich ergeben habe, für den katholischen Glauben
verloren sei.
Das mag von der Theosophie, von der Anthroposophie und
dem Spiritismus gelten, nicht aber vom wissenschaftlichen
Okkultismus. Gerade hier zeigt sich wieder das Verhängnisvolle
einer unlogischen Begriffsbestimmung. Beßmers verkehrte
Einstellung zur parapsychischen Forschung hat
schlimme Nachwirkung gehabt in gewissen katholischen
Kreisen, für die das Urteil eines Jesuiten als höchste Norm
gilt. So hat auf Grund der %Lektüre Beßmers auf demi
Katholikentag in München der Kapuzinerpater Dionysius sich
ebenfalls die falsche Begriffsbestimmung eines Beßmer und
Bappert angeeignet und Parapsychologie samt Spiritismus
und Theosophie in Bausch und Bogen verdammt in Gegenwart
eines in vorliegender Frage meist urteilsunfähigen
Publikums.
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