http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0555
554 Psychische Studien. L. Jahrgang. 12. Heft. (Dezember 1023.)
schlechterdings für die anderen lebt, mir durch jene Sympathie
erklärt werden kann, die bereits iri tieferen Graden- der Hypnose
einzutreten scheint. Die Forschungen Kohnstamms, der ja nach
dem ordnenden und erlebenden Unterbewußtsein eine noch
tiefere Schicht gefunden zu haben glaubte, die bereits wie das
ind. manas mit dem Absoluten in Verbindung steht, weisen
heute einen ähnlichen Weg, und es erscheint mir jedenfalls bedeutsam
, daß hier das, was Scheler theoretisch gefunden hat, mit
den Ergebnissen der seelischen Tiefenforschung übereinstimmt.
Der Grundirrtum Keyserlings scheint mir darauf zu beruhen,
daß der Unterschied zwischen den Menschen in der Erscheinungswelt
und dem transzendenten Kern in ihm nicht genügend durchgeführt
ist. Das kam, wie erwähnt, daher, daß er immer nur
indische Jogis kannte, bei denen die Grenze zwischen beiden
bereits in hohem Grade verwischt ist Wer, wie wir Abendländer
, diese Welt nicht schlechterdings für einen bloßen Schein
hält, sondern für eine gegebene Existenzform, wenn diese auch
überwunden werden kann, hat auch die Pflicht, alle in ihm durch
Vererbung usw. gegebenen Anlagen zur Erfüllung zu bringen,
soweit sie für ihn und die Gesamtheit förderlich sind. Ob er
darüber hinausgeht, hängt ganz von der Weitanschauimg deeinzelnen
ab, d. h. die Frage, wie er sein eigenes Ich in
den großen kosmischen Zusammenhang einordnet
, in den es gestellt ist. Denn wir wissen nicht
nur, daß wir nach unserem körperlichen Dasein weitgehend von
den Gestirnen abhängig sind (Sonnen- umd Mondumlauf, die 28
und 28 im Einzel- und Völkerleben, wie Fließ nachgewiesen hat),
sondern die Auffassung aller geistig hochentwickelten Völker wi<N
der Inder, Perser, Semiten, Griechen usw\) ist die gewesen, daß
wir unser Dasein keineswegs als solches restlos begreifen können,
sondern daß wir Glieder einer höheren, unsichtbaren Welt sind,
wenn auch die Erinnerung daran bei den meisten verloren gegangen
ist. Ist diese Anschauung richtig (auch die Untersuchungen
über Hellsehen uswr. weisen ja auf einen derartigen kosmi-
sehen Zusammenhang hin und die Esoterik gibt Wege an, uns
dessen wieder bewußt zu werden), so muß eben der Mensch versuchen
, sich selbst über diese Sinneswelt emporzuarbeiten. Das
kann auf Grund der seelischen Schulung* geschehen, wie sie
B. Steiner (Radscha-Joga-System in etwas abgeänderter Form),
Brandler-Pracht (Radscha-Joga undHata-Joga kombiniert) oder die
indische Philosophie lehrt, tes ist aber auch auf Grund der christlichen
Esoterik möglich: Der Mensch macht sein Inneres der Einwirkung
höherer Impulse zugänglich, wozu natürlich b£s zu einem gewissen
Grade die erwähnten Übungen nützlich sein können, bricht
aber dann diese Schulung ab, um sich dann ganz dem Christusimpuls
hinzugeben, der seit dem Mysterium von Golgatha jedem zugänglich
ist, der den Glauben, d. h. im ursprünglichen Sinne, das Vertrauen
dazu hat (R. Steiner: „Das Ghrister tum als mystische
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0555