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Hänig: Bemerkungen zu dem Aufsatz von F. Albert: Okkultismus usw. 555
Tatsache.") Erreicht er dieses Ziel nicht, d. h. die völlige Überwindimg
der Sinneswelt, so muß, wenn jene Anschauung richtig
ist, der Mensch eben wieder auf die Erde zurück, und es nützt
ihiti auch nichts, wenn er in diesem Dasein der größte Künstler
gewesen ist: er hat damit nur seine auf sein körperliche« Dasein
bezüglichen Fähigkeiten zur Entfaltung gebracht, aber die letzte
Aufgabe seiner Inkarnation nicht erfüllt. Es mag schließlich
noch erwähnt werden, daß neben dieser theosophischen Auffassung
unseres Lebens, die natürlich als Ziel aller Entwicklung
das bewußte Einswerden des InidivM uums mit dem Absoluten
sieht, mich eine weniger scharf ausgeprägte vorhanden ist, die
besonders in spiritistischen Kreisen (also auf Grund angeblicher
Geistermitteilungen) oft wiederkehrt: unser irdisches Dasein
kann auch als gelegentliche Inkarnation unseres höheren Selbst
aufgefaßt werden, das dabei an Erfahrungen reicher werden soll,
ohne daß Seelenwanderung und Schicksal damit verbunden wären.
Dann wären also die erwähnten beiden Wege unnütz, und sie
könnten höchstens dazu geeignet sein, die Entwicklung des
höheren Selbst zu beschleunigen! — es ist nur zu beachten, daß
diese Anschauung erst in Verbindung mit mehr oder minder
zweifelhaften Gefeterbotsehaften^ aufgekommen ist. während
jene erstere durch die ganze geistige Geschichte der Menschheit
geht und durch das größte Ereignis nahegelegt wird, das diese
Geschichte bisher aufzuweisen hat: das Leben und Sterben des
Gottessohnes.
Um das Gesagte nochmals zusammenzufassen: der Mensch hat
allerdings die Pflicht, seine im normalen Ich angelegten Fähigkeiten
auszubilden, aber er muß sich auch mit jener Tatsache
auseinandersetzen, ob ihm der kosmische Zusammenhang
, in den er gestellt ist, nicht auch noch
andere Pflichten auferlegt und er darf dann nichl
warten, ob ihm nach Ausbildung der normalen Fähigkeiten noct*
Zeit dazu bleibt. Es ist sogar möglich, daß die geborenen Okkul-
üsten als Vorläufer einer Entwicklungsstufe anzusehen sind, die
den übrigen erst in einigen Jahrhunderten erreichbar ist. Erwähnt
möge schließlich noch werden, daß das Urteil, das Vorhandensein
solcher Kräfte sei vielfach von intellektueller Minderwertigkeit
begleitet, wie es bei Keyserling und nach ihm auch
l>ei Albert zu finden ist, keineswegs beweisbar ist, am allerwenigsten
die Behauptung, daß geborene Okkultisten völlig
moralisch indifferent abergläubisch, furchtsam und bigott seien.
Ein solches Urteil läßt sich höchstens auf einige Medien anwenden
, obgleich uns auch hier der Mangel an systematischen
Untersuchungen, vor allem das Fehlen alles statistischen Materials
vorsichtig machen sollte, versagt aber völlig bei wirklich bedeutenden
Persönlichkeiten auf diesem Gebiete, wie D. Home, Frau
d'Esperance, Dr. Franz Hartmann, R. Steiner u. a., denen gewiß
kein Mensch Mangel an Intellekt, am allerwenigsten aber mora
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