http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0571
570 Psychische Studien. L. Jahrgang. 12. Heft. (Dezember 19^.
Zur Diskussion „Animismus-Splritismus".
Zu dieser, anläßlieh des Quadeschen Aufsatzes im Oktober-No-
vembeiheft angeregten Aussprache liefen zwei Beiträge ein, deren Abdruck
im Wortlaut wir uns aus Raummangel versagen müssen. Wir
beschränken uns auf eine ausführliche Inhaltsangabe, in der alles zum
Thema Gehörige restlos enthalten ist.
I.
Frau Anna Langheinrich, München, führt folgendes aus:
Verfasserin leitete anfangs des Jahres einen Tischzirkel, dessen erste
an den Mittwochabenden stattfindenden Sitzungen so gut wie resultatlos
verliefen. Sie wandte sich daraufhin brieflich an die drei Bahnstunden
von München lebende, ihr bekannte Familie Sch., die Eltern des Schrenck-
schen Mediums Willy S., von denen sie wußte, daß sie mit ihrem
14jährigen Sohn Rudi (der ebenso medial sein soll, wie sein Bruder)
gleichfalls Mittwochabends Sitzungen abhielten. Sie schlug vor, man
möchte versuchen, eine Kommunikation zwischen den beiden Zirkeln
herzustellen. Die bei Rudi operierende Personifikation Olga solle sich
in dem Münchner Zirkel durch einen kräftigten Schlag um 10 Uhr
manifestieren und die Teilnehmerzahl des Münchner Zirkels dann ihrem
Stammzirkel mitteilen.
Die betreffende Sitzung begann um 9*4 Uhfr — während Verfasserin
erst um 9% Uhr eintraf — in Gegenwart von zehn Personen unter
gegenseitiger Hand- und Fußkontrolle und bei schwachem Licht in
der Wohnung der Verfasserin. Kurz vor dem Eintreffen der Verfasserin
(etwa 9 Uhr 40 Min.) zeigten sich kräftige Klopf töne in der Tischplatte,
teilweise von der Intensität eines Hammerschlages, die in unregelmäßigen
Intervallen auftraten (etwa 20—30 Schläge) und bis 10 Uhr
10 Min. anhielten. Mit einer ziemlich brüsken Drehung des massiven
Tisches um 180° fand das Phänomen seinen Abschluß. Die Zirkelteilnehmer
wußten nichts von dem geplanten Versuch, bis auf einen
Herrn, der als stellvertretender Zirkelleiter fungierte. Eine intelligible
Verständigung mit dem Klopfphänomen gelang nicht.
In den nächsten vier Sitzungen des gleichen Zirkels sollen sich trotz
Hinzutretens einer angeblich stark medialen Persönlichkeit keine physikalischen
Erscheinungen gezeigt haben, erst die fünfte Sitzung brachte
wieder schwache und spärliche Klopftöne.
Herr Sch., der den Brief der Frau L. nicht beantwortet hatte, erklärte
der Verfasserin drei Tage später auf Befragen, und zwar bevor
Verfasserin ihm das Ergebnis der Münchner Sitzung mitteilte, er habe
die Absicht gehabt, den vorgeschlagenen Versuch auszuführen, Rudi
sei auch anfangs in Trance gekommen, aber um etwa 9 Uhr 40 Min.
wieder aufgewacht und nicht v/ieder in Schlaf zu bringen gevesen, so
daß er um 10 Uhr die Sitzung abgebrochen, habe.
Verfasserin nimmt nun an, daß die Kontrollintelligenz Rudis sich
in der fraglichen Zeit in München manifestiert habe, weshalb dieser
aus dem Trance herausgekommen sei. Sie glaubt, daß das Phänomen
sich, — wenn man den Zusammenhang zwischen den beiden Sitzungen;
annehmen will — animistisdh (etwa als Wirkung des ausgetretenen
Fluidals) nicht erklären lasse, da im Falle der Persönlichkeitsabspaltung
ja gerade eine Bewußtseinsveränderung, kein Aus-dem-Trance-
Fallen hätte eintreten müssen.
Verfasserin regt an, diesen Versuch einer Kommunikation zwischen
verschiedenen Zirkeln öfters und unter wissenschaftlichen Kontrollen}
zu wiederholen und ersucht um diesbezügliche Anregungen. (Die
Adresse ist bei der Schriftleitung zu erfahren.)
Der Versuch erinnert an die sogen. Croß-Korrespondenz und verdient
Nachahmung. Ob er uns ermöglicht, in der strittigen Frage
„Animismus — Spiritismus" aus dem Bereich der Hypothese zu einer
gesicherten Theorie zu gelangen, bleibt abzuwarten.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0571