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— IV —
wickelt sich auch alles Traumgeschehen logisch, jedoch
nach den Gesetzen der Traumlogik, keineswegs aber völlig
anarchisch. Am schlimmsten gestaltet sich ,der ewige
Wechsel, das tolle Jagen nach ewig Neuem bei Gesichtsbildern
. Bei Gehör- und Bewegungsbildern folgt im allgemeinen
das eine weniger plötzlich auf das andere. Wird
uns im Schlaf eine Zuschrift, ein Brief, ein Satz in einem
Buch vorgeführt, so tanzen alsbald die Buchstaben vor
unseren Traumaugen, und es kommt nicht zu einem zusammenhängenden
Lesen. Etwas besser aber steht es in
dieser Beziehung um akustische Traummitteilungen, die
sich nicht selten auf ganze Sätze erstrecken, welche eiuem
einheitlichen Gedanken entsprechen. Sehr lehrreich war
in dieser Beziehung für mich der nachstehende — an und
für sich recht seltsame — Traum. Mir drohte im Traum die
äußerste Gefahr. Nichts konnte mich retten als ein Zauberspruch
, den mir eine gütige Fee auf einem Streifen Papier
überreichte. Sofort aber war derselbe wieder verschwunden.
Und ich würde den Inhalt gar nicht kennen gelernt haben,
wenn die Fee nicht die Güte gehabt hätte, gleichzeitig den
Wortlaut auszusprechen. Da der Traum mich stark beeindruckte
, so haftete das Gesagte in meinem Gedächtnis
und konnte ich im Bett, da Bleistift und Papier zurecht lag,
den Wortlaut auf frischer Tat fixi eren. Aber nun geschah
das Merkwürdige. Es war Abrakadabra, was ich da niedergeschrieben
hatte, und ärgerlich legte ich den Zettel hin.
Erst soäter kam mir die Idee: lies einmal von hinten.
Und siehe da, es ergab sich der schönste Sinn. Zwar ein
Gemeinplatz ohne Bedeutung, aber doch ein ganz verständiger
Sinn. Den Schläfer zu zwingen, eine im Traum
akustisch gegebene Botschaft niedergeschrieben in
Spiegelschrift zu lesen, das ist doch eine Fopperei,
wie sie eben nur ein echter Traum fertigbringt.
Wenn wir im allgemeinen Träume als Wunscherfüllung
ansehen dürfen, so wird es uns nicht wundernehmen, wenn
sich bei einem obwaltenden Traume die Entwicklung des
Traumgeschehens in gewünschten Bahnen bewegt. Solche
ruhige Gestaltung ist aber durchaus nicht immer zu beobachten
. Blitzschnell wird der Faden zerrissen und es
erscheint ein neues Bild oder gerade das Gegenteil dessen,
was wir als Traumfolge erwarten. Das aber ist echte
Traumlogik, die das neue Bild als Kontrast des vorhergehenden
wählt. Die Assoziationsfähigkeit des Traumes
ist eine unendliche. Nun gilt es, gleich das nächste Bild
einer Aehnlichkeit oder gerade einer Unähnlichkeit mit
dem gegenwärtigen zu entnehmen. Sehr häufig sind verbale
Assoziationen. Flugs bildet der Traum aus einem
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