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Beilage zum Januar-Heft 1923 der Psych. Studien
L. Jahrgang.
Eine Wanderprophezeiung,
Im Berliner % Schnellzug zwischen Augsburg und Donauwörth
erzählte ein Mitreisender nachfolgendes, angeblich
eigene Erlebnis:
„Als ich vor einigen Tagen die gleiche Strecke fuhr,
befand sich auch ein Herr im Waggon, der sich mit einigen
Mitreisenden in ein Gespräch einließ, im Laufe desselben
diesen betreffenden Mitreisenden, ohne diese vorher gesehen
zu haben, erklärte, sie seien Reichswehroffiziere. Als
diese überrascht dies zugaben, eröffnete er ihnen, daß er
Hellseher sei und ihnen heute sage, daß Deutschland bis
spätestens 1925 wieder in einen neuen Krieg verwickelt sei.
Auf die ungläubigen Antworten, auf die Behauptungen der
Offiziere hin, daß sie dies für unmöglich hielten, und zwar
aus den verschiedensten Gründen, erwiderte der Hellseher
in überzeugtem Brustton: „Meine Behauptung bezüglich
des neuen Krieges trifft so sicher zu, als bis einer halben
Stunde eine Person in diesem Kupee tot sein wird."
Diese Mitteilung hatte natürlich für alle Anwesenden
eine nicht geradezu angenehme Wirkung,, und insbesondere
ein älterer Herr, der sich dadurch besonders erregt fühlte,
brachte der Meinung Ausdruck, daß wohl er der Betreffende
sein werde, da er der älteste sei und sich außerdem auch
nicht sehr wohl fühle.
An einer Zwischenstation aber stieg ein neuer Mitreisender
in das Kupee ein, und nach zirka 20 Minuten fiel
der neue Gast lautlos zu Boden, und zwar von einem Herzschlag
getroffen.
Sie können sich denken, so schloß der Erzähler seine
Mitteilungen, daß nicht nur ich, nicht nur die Offiziere,
die nebenbei bemerkt in Zivil waren, sondern auch alle
anderen Kupeeinsassen nicht nur durch den Todesfall, sondern
noch mehr durch die Erfüllung der Voraussage dieses
Hellsehers in leicht begreiflicher Aufregung waren.
Selbstredend, so erwähnte der Erzähler noch, begab
ich mich sofort zu meinem Bürgermeister (soviel dem
Schreiber dieser Zeilen erinnerlich, wurde der Ort Mei-
tingen genannt), um den ganzen Vorfall zu Protokoll zu
geben." —
Der Schreiber dieser Zeilen, der sich seit Jahrzehnten mit
Okkultismus befaßt, bat nun den unbekannten Erzähler,
ihm doch eine beglaubigte Abschrift des Protokolls zu übermitteln
. Dies wurde von dem Erzähler, der scheinbar Fa-
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