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zeß dar. Anders aber liegt es bei Träumen, die auf Er*
innerungsbildern früherer Zeit beruhen. Da scheint es doch
besonderer Reize zu bedürfen, um sie zu wecken. Tatsachs
ist es, daß es uns durch sorgfältige Untersuchung bei fast
allen Träumen, deren wir uns erinnern, gelingt, Einfluß
ausübende äußere Momente aufzuspüren. Man wird daher
kaum fehlgreifen, wenn man annimmt, daß bei allen Träumen
— mehr oder weniger — ein präsentatives Element beteiligt
ist. Auch selbst in £ allen, in denen es nicht unmittelbar
den Traum hervorgerufen hat, kann es mittelbar modifizierend
und bestimmend auf denselben einwirken.
Und in der Tat, an äußeren Reizen fehlt es dem
Schlafenden nie. Unter normalen Verhältnissen wird keine
Ruhestätte so entlegen, so geschützt sein, daß das Gehörorgan
vor jeder Beeindruckung sicher wäre. Ein Gleiches
gilt vom Gefühls- und Tastsinn, dem Temperatursinn, dem
Gleichgewichtssinn usw., die eine dauernde Einwirkung
seitens der Lagerstätte erfahren. Auch das Seh- und das
Riechorgan sind keineswegs gegen äufiere Reize gesichert.
Nicht minder sind die inneren Organe des Schlafenden
zum guten Teil in einer oft nicht merklichen Bewegung.
Namentlich die Verdauungsorgane. Nicht ganz mit Unrecht
sagt der Volksmund von quälenden Träumen, daß sie aus
dem Magen stammen. Ein übervoller Magen, ein geblähter
Darm, mag oft genug zu Albträumen Veranlassung
geben. Kann schon die normale Tätigkeit von Herz, Lunge,
Niere usw. bestimmte Träume hervorrufen, so gilt dies
umsomehr von krankhaften Zuständen innerer Organe.
Kein Wunder daher, daß dem sorgsam Forschenden
selten das Auffinden von präsentativen Reizen bei der
Untersuchung eines Traumfalles mißlingt, und zwar von
Reizen, bei denen der Zusammenhang mit dem Trauminhalt
deutlich ist, dern selbstverständlich kommen nur solche hier
in Frage. Freilich ist dieser Zusammenhang nicht immer
so deutlich, wie wenn jemand träumt, daß ihm das Rückgrat
zersägt werde, und er stellt beim Erwachen fest, daß er
auf einem Hemdenknopf gelegen hat. — *
Wir kommen nun zu einem Punkte, der zugleich vor
einer allzu ausgedehnten Annahme einer erotischen Traumwurzel
warnt. Daß eine übervolle Samenblase oder ein
gesteigerter Blutandrang zum Eierstock unter einem wollüstigen
Traum einen Orgasmus herbeiführen wird, ist
leicht verständlich. Nach dem Pflügerschen Gesetz kann
ein Reiz nur durch das Organ befriedigt werden, von dem
er ausgeht. Nach eben diesem Gesetz aber, da es zahlreiche
Organe gibt, die durchaus keine Beziehung zur Sexualsphäre
haben, wird es auch zahlreiche Träume geben, denen
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