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— XXIV —
Völker und Rassen haben diesbezüglich ihre Eigenart, son
dem jeder einzelne Mensch. Und auch bei diesem ist die
Unterscheidung, ob Wohlgeruch oder dessen Gegenteil,
nicht einmal beständig. Je nach einem Erlebnis, nach
der Verknüpfung eines Geruches mit einer bestimmten Erinnerung
kann sich sein Urteil über Angenehm oder Widrig
flugs umkehren.
Beachtenswert ist die Beziehung vieler Gerüche zu
geschlechtlichen Erregungen. Geruch und Sexualität, sagt
Fließ, gehören zusammen wie Nase und Sexualität. Besonders
unterschieden hat man gastrale und erotische Gerüche
. Die letzteren haben sich durchgehends als Capryl-
gerüche herausgestellt. Bezeichnend ist, daß allen, oder
wenigstens fast allen künstlichen Geruchsraitteln, den sog.
Parfüms, Moschus, also Bibergeil, beigemischt ist. —
Will man nun durch den Geruchsinn künstliche Träume
hervorrufen, so wird man, insofern man die Neigungen
oder Abneigungen der betreffenden Person zu oder gegen
bestimmte Gerüche kennt, bei der Wahl des zum Experiment
dienenden Geruchsmittels klugerweise wohl Rücksicht nehmen
, doch ist dies keineswegs nötig. Es kommt eben alles
auf die feste Verknüpfung des Geruchseindruckes mit einer
bestimmten Vorstellung an. —
Von jeher, wenn auch unbewTußt, ist mit dem Gerüche
als Wecker bestimmter Traumbilder operiert worden. Bis
auf den heutigen Tag legen die Mädchen in der Slowakei
Blüten von Meliloten und Wegwart unter ihr Kopfkissen,
damit sie im Traum den ihnen bestimmten Bräutigam sehen.
Natürlich steht dessen Biid längst im Geheimkämmerchen
ihres Herzens fest und hat sich dieses innig mit dem betreffenden
Blütenduft verknüpft. Der Glaube an dieses
Duftorakel ist ja geheiligte U eberlieferung.
Will man nun mit Ueberlegung durch den Geruchsinn
einen bestimmten Traum herbeiführen, so ist das Ver
fahien ein sehr einfaches. Im Augenblick eines unbeabsichtigten
oder beabsichtigten Erlebnisses bedient man sich
eines bestimmten Duftstoffes und suchf unter möglichster
Konzentrierung seiner Gedanken auf dieses Ereignis und
gleichzeitig den betreffenden Geruch zu lenken, so daß es
gewissermaßen zu einer zentralen Verknüpfung beider
kommt. Auf diese Weise ist jetzt eine bestimmte Vorstellung
an einen bestimmten Geruch fixiert und wird, wenn der
betreffende Duft im Schlafe wahrgenommen wird, auch im
Traume erscheinen. (Schluß folgt.)
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