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— XXXIX —
Der Eindruck, den dies Vorkommnis auf uns machte, war ein
mächtiger. Der Lehrer, der sofort, als das Licht auf uns zufuhr,
vor Schreck aus dem Acker wieder auf den Weg zurückgesprungen
war, sagte in seiner Aufregung nur immer: „Was
ist das, was ist das!" Auch der Schulgehilfe wußte sein Erstaunen
nicht genug zum Ausdrucke zu bringen. Natürlich
bildete das LichÜein den einzigen Gesprächsstoff auf unserem
ganzen Heimwege.
Iöh sagte auch nach dem erzielten Erfolge meinen Begleitern
nichts von meiner Beschwörung, war aber nun fest überzeugt,
daß es hier nicht mit natürlichen Dingen zugehe und daß ich
noch besseren Einblick in diel Sache bekommen werde. Ich
sollte mich nicht getäuscht haben. Jeden Abend ging ich vuii
da an) nach F. und lugte auf dem Heimwege fleißig nach dem
Lichtlein aus, dessen gewöhnlichen Weg ich hierbei kreuzen
mußte — aber ich sah kein Lichtlein mehr.
Am Samstag vor dem Namen-Jesu-Sonntag, also anfangs
Januar, trottete'ich wieder am Abend den gleichen Weg heim,
scharf ausschauend nach dem Lichtlein. Aber so finster auch
die Nacht war —- ein Lichtlein war nirgends zu erblicken. So
kam ich auf die Höhe des Hügels, auf dem H. und mein Pfarrhaus
lag, ohne etwas gesehen zu haben. Eben wollte ich in den
kleinen Fußsteig einbiegen, der in die Hofmark hineinführt, da
war mir, als ob ich weit di&ußen gegen Osten hin einen
schwachen Lichtschimmer sähe. Ich strengte meine Augen an
— richtig! das war einf Licht. Aber dies konnte nur ein Haus-
licht sein, 's Liachtl stand ja nie in dieser Richtung und war nie
so weit weg. Bei der herrschenden Finsternis konnte ich mich
allerdings nicht recht orientieren, aber meiner Meinung nach
konnte es nur ein Lichtschimmer aus dem etwa eine halbe Stunde
entfernten Dorfe L. sein. Trotzdem ließ mir die Sache keine
Ruhe und immer wieder kam mir der Gedanke: wenn's halt
doch 's Liachtl wäre!
So beschloß ich denn, das fragliche Licht wieder zu beschwören
. Mit denn ganzen Ems*, der einem solchen Akt geziemt
, beschwor ich kraft .meiner priesterlichen Gewalt das
Licht: „Wenn es kein natürliches Licht sei, so solle es bis zu
mir herankommen." Aber es rührte sich nicht Ist halt doch
ein Hauslicht, »dachte ich und wollte mich fast selbst auslachen
wegen meiner Einbildung. Aber ies ließ mir keine Ruhe.
Nochmals beschwor ich das Licht — mit gleich negativem Erfolg
. Und nun tat ich das gleiche zuim drittenmal mit merkwürdigem
Erfolge. Sofort fuhr das Licht auf mich zu, weder
rechts noch links vonj der Linie abweichend. War es anfangs
verschwommen gewesen, so ward es bald heller und deutlicher.
Wie eine kleine glühenjde Kanonenkugel fuhr es hoch in der
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