http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1923/0621
Luft über die Hügel und Täler weg, die dazwischen lagen, auf
mich zu. Wie mir dabei zumute war, kann ich nicht schildern.
Furcht hatte ich nicht, aber es legte sich eng um die Brust, und
manches Haar mag »sich auf deta Kopfe gesträubt haben. Ich
sagte aber wiederholt: „Komm' nur her, ich befehle es dir!" —
Bei Tageslicht liest sich dies ja ganz gemütlich, aber im Dunkel
der Nacht allein draußen stehen und ein unheimliches, durch
geistliche Macht gerufenes Licht auf sich zufahren zu sehen,
ist nicht nach jedermanns Geschmack. Dazu gehören Nerven
wie Stricke. Etwa eüue halbe Minute mag das Licht so durch
die Lüfte auf mich zugeflogen sein, dann senkte es sich ein
wenig und ließ sich etwa 15 Schritte von mir auf dem Eckpfeiler
des neu angelegten Friedhofs nieder. Ich häjte es nun
gern gefragt, wer es sei und was es wolle, aber die Entfernung
war mir zu weit. Darum sagte ich: „Gehst du nicht
zu mir her, so gehe ich zu dir hin", und schritt auf dasselbe zu.
Wie ich mich aber ihm näherte, erhob es sich wieder und wich
vor mir zurück ins Tal hinab, aus dem eis immer gekommen.
Nachlaufen konnte ich ihm natürlich nicht, und so mußte ich es
ziehen lassen, ohnje Aufschluß von ihm erlangt zu haben, woher
es sei usw. Doch erhielt ich von anderer Seite noch eine I
Auskunft, die mir wertvoll schien. Vor Jahren soll ein Bauer |
aus dem gemannten Dorfe F. seine Magd verführt, dann er- i
mordet und heimlich unten im Tal verscharrt haben, von wo 1
das Licht ausging. Das Merkwürdige ist, daß jenes Licht seitdem
Ruhe bekommen hat. Es ist, seit ich es durch meine Beschwörimg
zu mir gerufen, nicht mehr erschienen. Es sind nun
25 Jahre dahingegangen, aber vergebens haben die Bewohner
von H. auf das alljährliche Erscheinen des Lichtes gewartet.
Daß ich ihm geistliche Hilfe angedeihen ließ, ist selbstverständlich
. — Das ist die Geschichte vom „Liachtl" in H. Möge
sie jeder sich auslegen, wie er will; wahr ist sie, ich habe
sie erlebt.---
Herr geistl. Rat Leeb richtete in jener V»*rsammlung die Anfrage an '
mich, wie ich mich zu dieser Sache stelle. Ich erwiderte ihm, daß ich in
die Glaubwürdigkeit seiner Aussage nicht den geringsten Zweifel setze und j
daß ich ihm mehrere ganz analoge Fälle mitteilen könne. Die zwei ersten s
finden sich in „Kerners Blättern aus Prevorst", Band 5, S. 115 ff und «
Band 7, S. 179 ff. Beide Berichte stammen von württemhergischen protest.
Geistlichen aus den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts. Einer dieser
Geistlichen fühlte sieh innerlich gedrungen, für diesen seit etwa vierzig j
Jahren regelmäßig erscheinenden „Lichtgeist" zu beten, obwohl seine Kirche
keinen Mittelort annimmt, und — das Licht zeigte sich von da an nie
mehr. Den dritten Fall habe ich in meinem Artikel „Eriim* rangen aus
meiner Pastoralzeit", Psych. Studien 1911, S. 641 veröffentlicht. Dort mögen
die Leser der Psych. Studien ihn aufsuchen. Dr. A. Ludwig, Prof.
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