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2 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 1. Heft. (Januar 1924.)
I«
Der Bhuten- oder Geisterdienst,
besonders in SüdCanara.
Die Art und das Wesen des animistischen Heidentums mit
seinen mancherlei Erscheinungsformen in Zauberei, Bhuten- und
Geisterdienst, die trotz der großen Verschiedenheit der Länder
und Völker eine auffallende Ähnlichkeit miteinander haben, hat
Missionar Liz. Joh. Warneck in seinem Buch: „Die Lebenskräfte
des Evangeliums" (4. Aufl. Berlin 1911) ausführlich beschrieben,
und die demselben zugrunde liegenden, vielfach miteinander
tibereinstimmenden Anschauungen bei verschiedensten Völkern
dargelegt. Eine Frage von großer Wichtigkeit scheint mir dabei
die zu sein: Was haben wir, die durch das Wort und den Geist
des lebendigen und wahrhaftigen Gottes erleuchteten Träger der
Erkenntnis der Wahrheit davon zu halten? Und wie haben wir
uns dazu zu stellen? Warneck nennt es „das Geschöpf der spekulierenden
Phantasien" (S. 52 „die Resultate ihres Nachdenkens*6
ihrer „Gedankenarbeit" (S. 69). Manche, namentlich junge und
unerfahrene Missionare meinen^ das ganze Tun und Treiben der
Teufelspriester sei alles nur Lug und Trug und Täuscherei, und
die Furcht der armen, Leute vor den bösen Geistern und ihr
Glaube, sie werden von bösen Geistern geplagt, sei alles nur
grundlose Einbildung und Aberglaube, der ihnen von den nur auf
ihren Vorteil bedachten Teufetepriestern eingegeben und beigebracht
worden ist. Ohne Zweifel geschieht das auch in hohen
Maße. Und da diese Teufelspriester tatsächlich im Dienste des
Teufels, des Lügners von Anfang stehen, kann es natürlich bei
ihrem Tun und Treiben ohne Lug und Trug nicht abgehen. Damit
ist aber nicht gesagt, daß die Furcht dieser Leute nur auf
ihrem Aberglauben beruhe. Denm tatsächlich steht die Macht
der Finsternis dahinter, eine wirklich ersehreckende Tatsache.
In Heckadka, das zur Station Karkala gehört, lebt unser
Christarthi. Er war ehemals ein solcher Teufelspriester, und
wurde zu meiner Zeit in die Gemeinde aufgenommen. Diesen
bat ich einmal, mir aufrichtig zu sagen, wie es eigentlich Dei
dem Besessenwerden der Teufelspriester zhgehe. Nach meiner
Meinimg sei das alles doch nur Täuscherei und Trügerei. Nein
Herr, sagte er, das ist nicht alles Täuischerei. Der Bhute kommt
tatsächlich über den Priester und redet durch ihn. Darauf sagte
ich, wie so denn? Der B rahm an e gibt doch dem Priester vorher
alles ein, was er im Zustand der Besessenheit sagen soll? Hierauf
entgegnete er: Der Brahmane sagt eiruem wohl viel ein, das
gesagt werden soll, aber ohne den Beistand des Bhuten wäre es
nicht möglich, in der rechten Weise das zu sagen, was gesagt
werden soll. Erst wenn der Bhute über einen kommt, ist das
möglich, denn dieser erinnert einen dann an alles, was der Brah-
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