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4 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 1. Heft (Januar 1924.)
Ich sagte: „Brauchst keine Angst zu bekommen." Dann wurde sie
rahiger und sagte zu mir: „Bitte gebet mir Nahrung, gebet mir
Nahrung." loh fragte: „Was willst Du denn für Nahrung haben?"
Sie antwortete: „Opfert mir ein Hülm." Ich entgegnete: „Das
werde ich nicht tun." Befahl aber den Umstehenden, sie sollten
ihr einen Trunk Wasser geben. Als das geschehen war und sie
aUes ausgetrunken hatte, legte sie sich nochmals auf die Seite,
schrie noch eine Weile, wurde allmählich ruhiger, und dann mit
einem Schlage war sie wieder ganz normal. Der Geist hatte sie
verlassen.
In der Christenheit kommen derartige Dinge seltener vor, weil
es da im Interesse der Macht der Finsternis liegt, sich möglichst
verborgen zu halten. Darum haben junge Missionare in diesen
Sachen keine Erfahrung, doch wissen wir davon aus der heiligen
Schrift, und was uns die Schrift darüber sagt, das wissen diese
Leute aus der Erfahrung, nämlich, daß abgeschiedene unreine
Geister dürre Stätten durchwandeln und Ruhe suchen, ohne sie
zu finden. Ferner, daß es diesen der Leiblichkeit beraubten
Geistern eine gewisse Befriedigung gewährt, wenn sie wenigstens
vorübergehend in einen Leib eindringen können, um sich
auszuschreien, auszuweinen, auszutoben, Opfer und Nahrung
geben zu lasen, darum stellen sie ihnen, durch irgendeine Plage
dazu willig gemacht, in einem Gelübde ihren Leib zu vorübergehender
Besitzung zur Verfügung, geraten aber dadurch allmählich
so in die Gewalt des betreffenden Geistes, daß sie auch
ohne ihren Willen und gegen ihren Willen von ihm besessen
werden, und das Ende davon ist Verderben für Leib und Seele.
Es kommt auch vor, daß der abgeschiedene Mann seiner noch
lebenden Frau sich bemächtigt. Pfarrer Nahason Vira erzählte
mir einen solchen Fall, der in seiner Gemeinde vorkam. Als
er den die Frau besitzenden Geist fragte, wer er sei, gestand er,
daß er der verstorbene Mann derselben sei. Als er ihn fragte,
mit welchem Recht er jetzt seine arme Frau beunruhige und vergewaltige
, sagte er: „Da® ist ja meine Frau, die ich geheiratet
habe, darum habe ich einen Anspruch auf sie." Darauf antwortete
ihm der Pfarrer: „Heißt es nicht im Ehegelöbnis, ,bis der Tod
euch scheidet'? Der Tod hat euch geschieden, und damit hört
auch dein Anspruch an sie auf. Ich fordere dich also auf, sie
zu verlassen." Da er sich nicht gleich dazu willig zeigte, drohte
er ihn mit Schuhschlägen. Dies machte ihn willig, doch um ihn
zur Eile zu treiben, mußte die Drohung noch einigemal wiederholt
werden. Schließlich fragte er ihn: „Womit zeigst du, daß du
gegangen bist?" Er antwortete: „Zündet ein Licht an und beim
Weggehen lösche ich es aus." Darauf fuhr er aus und das Licht
verlosch.
Ebenso suchen abgeschiedene Frauen sich ihrer noch lebenden
Männer zu bemächtigen.
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