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Blacher: Warschauer Erlebnisse und Eindrucke.
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Als ich in russischer Sprache aufforderte, doch ein Liedchen zu singen
„Sapjewaü", wurden einige Tasten ebenso zart schnell hintereinander
in Tonleiterfolge angeschlagen. Als man wieder an die Glocke erinnerte
, erfolgte ein Krach, wie wenn jemand stark aufs Klavier
geschlagen hatte oder der Tastendeckel von selbst zugefallen wäre, und
das Medium erwachte hustend und prustend. Als auf die Frage, ob
jemand die Kette unterbrochen habe, sich niemand meldete, wurde
die Vermutung ausgesprochen, daß jemandes starke aufkommende
Zweifel die Sitzung unterbrochen hätten. Der Tastendeckel des Klaviers
erwies sich als verschlossen.*)
Alles in dieser Sitzung Erlebte verstärkte meinen ersten Eindruck,
daß sich durch den Trancezustand des Mediums ein psychisch encrge-
tisches Kraftfeld bilde, das ich dem unterbewußten Willen des Me-
diums und damit auch demjenigen der Teilnehmer zur Verfügung
stelle, wobei die gewünschte Energieform: mechanische Wirkung, Licht,
Laute, organisierte Bildungen in Erscheinung treten konntet! und auch
traten. Am leichtesten mußte das auftreten, was nach psychanaly-
Incher Auffassung am stärksten mit Affekt beladen war. War aber
nun einmal das psychisch-energetische Potential noch gespannt, die
psychisch-energetische Ladung des Feldes stark, so konnte auch der
Schabernack losgehen, indem aus der Psyche der Teilnehmer das
herausgegriffen werden mußte, was sozusagen in den Weg lief. Da
ich mich mehr als die anderen mit dem Medium beschäftigt hatte,
begannen die telekmetisehen Phänomene bei mir. Nach der Pause
ging ja der Geist auch gleich auf mich zu und, war einmal der Bann
gebrochen, so ging es mehr automatisch weiter. Nachdem ich nach
der Pause berührt worden war, richtete sich die Aufmerksamkeit des
Geistes (ich nenne ihn so, in Ermangelung eines anderen energetisch
wissenschaftlichen Ausdrucks) auf die Dame, welche ihre Zweifel geäußert
hatte. Sie bekam einen Pferdekuß. Nun mag aber dort noch
eine besondere Affektbetonung anlockend gewirkt haben. Die Dame
erzählte mir nämlich, daß, während sie geküßt worden sei, die Stimme
einer ihrer in Amerika weilenden Bekannten gesagt habe: „Weißt
*) Hier kommt nun ein Moment, wo eine Betrugsmöglichkeit — man
merke, rein akademisch gesprochen — zugegeben werden muß, falls
das Klavier in Reichweite der Hände des Mediums oder der Frau W.
gewesen wäre, was ich leider nicht genau weiß. Das Klavier war
jedenfalls in der Nähe. Nun hatten ja meine Hände sowohl auf beiden
Händen der Frau W. wie auch auf der einen Hand des Mediums gelegen
, und glaube ich wohl, daß ich das Entziehen einer der Hände
bemerkt hätte. Doch war ich durch die Erscheinungen derart gespannt
, daß ich es aber nicht mit völliger Sicherheit behaupten
kann. Entscheidend wäre jedoch die Tatsache, daß das Klavier gleich
nach dem Lichtmachen sicn als abgeschlossen erwies, falls der Deckel
nicht zuschnappen konnte, worüber ich mir noch nachträgliche Meldung
erbeten habe. Es konnte aber auch einer der Teilnehmer noch vor
Hellmachen den Tastendeckel schnell und geräuschlos abgeschlossen
haben. Doch da kommen wir schon in die unten behandelten Betrugskonstruktionen
hinein, die alles und alle zu einem Chaos von Schwindel
und Gaunerei stempeln.
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